Die neue Denkhaltung der griechischen Sophisten

Die Forscher, die sich mit der Geschichte der Philosophie befassen, sind sich bis heute nicht darüber einig geworden, was Sophistik eigentlich ist. Das Wort hängt mit dem griechischen sophía, der Weisheit zusammen und sophistás wurden ursprünglich in Griechenland ganz allgemein kundige Männer genannt, die über ein Spezialwissen und besondere Erfahrungen in einem Wissensgebiet verfügten. Etwas Spezielleres meint aber die spätere Sophistik. Die ersten Weisen in der Geschichte der Philosophie, die vor der Epoche des Sokrates lebten, wurden nicht nur Vorsokratiker, sondern auch Physiker genannt, also als Naturphilosophen bezeichnet. Ihr Denken umschließt den ganzen Kosmos, einschließlich des Menschen. Ihre Weisheit entsprach oft noch dem Wissen einer Offenbarung.

Die Sophisten waren die ersten Berufslehrer der Geschichte

Die Sophistik entwickelte diesem Wissen gegenüber eine ganz neue Denkhaltung, ein gleichsam städtisches Wissen. Ihre Denkinhalte richteten sich an die Bevölkerung der Stadt, an die intellektuelle Öffentlichkeit, an ein am Wissen interessiertes Publikum. Die Sophistik war um Aufklärung und Diskussion bemüht. Ihre Grundhaltung war eine skeptische, von Zweifeln und Abwägungen geprägt. Charakterisiert wurde diese neue Art des Denkens ganz allgemein als Hinwendung auf den Menschen.

Die Sophisten waren davon überzeugt, Lehrer zu sein. Sie zogen als Wanderlehrer von Stadt zu Stadt und verbreiteten dort ihre Ansichten und Weisheiten. Sie wendeten sich vor allem an die Jugend der Upperclass, die sie gegen gute Bezahlung unterrichteten. Dass Menschen von ihrem Unterricht leben konnten, war für die damalige Zeit etwas völlig Neues – es war praktisch die Geburtsstunde des Lehrerberufs. Der Unterricht umfasste die verschiedensten Wissensgebiete.

Die Rhetorik der Sophisten

Das eigentliche Ziel der Sophisten beschreibt Platon anschaulich: „Klugheit in seinen eigenen Angelegenheiten, wie er (der Schüler) sein Hauswesen am besten verwalten, und dann auch in den Angelegenheiten des Staates, wie er am geschicktesten sein wird, diese sowohl zu führen als auch darüber zu reden.“ Die Rhetorik als Beherrschung der vollendeten Rede nimmt bei den Sophisten einen großen Raum ein, weil sie den neuen Herausforderungen des griechischen Stadtstaates, der Polis, entsprach.

Ein guter Redner kann einen Gegenstand in sehr verschiedenen Ausprägungen darstellen. Wenn er sehr geschickt ist, kann der Zuhörer kaum noch unterscheiden, in welchem Verhältnis Gut oder Böse, Falsch oder Richtig zueinander stehen. Dadurch sahen sich die Sophisten bald vielen Vorurteilen ausgesetzt. Noch heute werden sie gerne als Wortverdreher oder Haarspalter verunglimpft. Man kennzeichnet damit Menschen, die durch ihre Redegewalt, eine wahre Tatsache als falsch und etwas Falsches als wahr darstellen können. Diese negative Beurteilung der Sophisten geht auf Platon zurück, der sie als Hauptgegner seiner eigenen philosophischen Denkansätze bekämpfte.

Von Hans Klumbies