Die Lust selbst ist weder gut noch böse

Für Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) gehört die zelebrierte Grausamkeit „zur ältesten Festfreude der Menschheit“. Die Lust am Anblick Gequälter rechtfertigte man lange damit, dass die Götter an Opfern und Märtyrern Gefallen fänden. Ludger Pfeil fügt hinzu: „Auch bei harmloseren Bosheiten geht es dem Täter nicht vorrangig um das Leiden der anderen, sondern um den eigenen Genuss daran, der dann allerdings den mitfühlenden Blick auf den anderen verstellt.“ Friedrich Nietzsche schreibt: „Schon jede Neckerei zeigt, wie es Vergnügen macht, am anderen unsere Macht auszulassen.“ Die Lust selbst ist weder gut noch böse; eventuell damit verbundene Unlust eines anderen macht den Menschen laut Friedrich Nietzsche nur im Hinblick auf mögliche Strafe oder Rache Sorgen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

Die Lust ist die Basis des gelingenden Miteinanders

Die Bezogenheit auf das eigene Vergnügen verbirgt sich für Friedrich Nietzsche sogar im Mitleid: „Das Mitleid hat ebenso wenig die Lust des andern zum Ziele, als, wie gesagt, die Bosheit den Schmerz des anderen an sich. Denn es birgt mindestens zwei Elemente einer persönlichen Lust in sich und ist dergestalt Selbstgenuss: einmal als Lust der Emotion, welcher Art das Mitleid in der Tragödie ist, und dann, wen es zur Tat treibt, als Lust der Befriedigung in der Ausübung der Macht.“ Auch wenn man sich über die wahren Motive gerne täuscht, kann die individuelle Lust so zum Wohlergehen des anderen beitragen.

Denn das Genießen ist nicht zwangsläufig egoistisch und asozial: Freundschaften waren schon für Epikur eine Quelle der Freude; das Spiel mit anderen bereitete Michel de Montaigne Vergnügen. Friedrich Nietzsche sieht die Lust geradezu als Grundlage des gelingenden Miteinanders. Friedrich Nietzsche schreibt: „Aus seinen Beziehungen zu anderen Menschen gewinnt der Mensch eine neue Gattung von Lust zu jenen Lustempfindungen hinzu, welche er aus sich selbst nimmt; wodurch er das Reich der Lustempfindung überhaupt bedeutend umfänglicher macht.“

Ein erfülltes Sexualleben verschafft die höchsten Wohlgefühle

Friedrich Nietzsche fährt fort: „Die Lustempfindung aufgrund menschlicher Beziehungen macht im allgemeinen den Menschen besser; die gemeinsame Freude, die Lust, mitsammen genossen, erhöht dieselbe, sie gibt dem einzelnen Sicherheit, macht ihn gutmütiger, löst das Misstrauen, den Neid: denn man fühlt sich selber wohl und sieht den andern in gleicher Weise sich wohl fühlen. Die gleichartigen Äußerungen der Lust erwecken die Phantasie der Mitempfindung, das Gefühl, etwas Gleiches zu sein.“

Ein Essen zu zweit, eine Feier mit Freunden, Spiel und Sport, Musizieren, Gespräche, Flirts – die Beispiele für solche gemeinsamen Lustempfindungen finden sich zuhauf. Insbesondere zum erfüllten Sexualleben gehören meist mindestens zwei, die sich gegenseitig die höchsten Wohlgefühle verschaffen. Genießer gelten damit als Anwärter auf den Titel der besten Liebhaber, wenn sie ihre und die Lust des anderen durch die Begegnung steigern. Quelle: „Du lebst, was du denkst“ von Ludger Pfeil

Von Hans Klumbies