Elfriede Jelinek spricht die Wahrheit gnadenlos aus

Die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek erhielt im Jahr 2004 den Literaturnobelpreis. Ihre Anhänger lieben sie, ihre Feinde hassen sie. Ihre Texte sind schrill, gnadenlos und von einer bedingungslosen Offenheit. Verirrungen und Verwirrungen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk der berühmten Autorin. Die Schriftstellerin provoziert gerne ihre Leser mit Figuren des Alltags, die einen erbärmlichen Eindruck machen. Es tauchen Männer auf, die zu Kotzbrocken mutiert sind und ekelerregende Hausfrauen, die sich in ihrem Spießbürgertum eingerichtet haben. In allen ihren Werken geht es aber um die Aufklärung, die als Endlosschleife daherkommt.

Die Sprachwelt der Elfriede Jelinek

Eine Quelle für die Werke Elfriede Jelineks sind die Schrottsendungen des privaten Fernsehens. Die dort verwendete Sprache, das Gerede, das Getöse, die Belanglosigkeit der Sätze, wird in die Romane und Theaterstücke der Autorin eingespeist und in eine letale Dosis verwandelt. Seit 1983 ihr Roman „Die Klavierspielerin“ erschien, bewegt sich Elfriede Jelinek in ihren Stücken zwischen Eiseskälte und ausgeprägten Neurosen. In der „Klavierspielerin“ beschreibt sie ein Drama zwischen Mutter und Tochter, den sie als Kern eines gefährdeten Lebens herausarbeitet.

In ihrem Welttheater gehen Grausamkeit und Kitsch eine unheilvolle Verbindung ein. Sie persifliert beispielsweise den Heimatroman, indem sie die süßen Küsse einer Maria Schell in ihren Roman „Die Ausgesperrten“ von 1980 aufnimmt. Wie Österreich seine Nazivergangenheit nicht wahr haben will, thematisiert sie in dem Stück „Die Kinder der Toten“ von 1995. Die sexuelle Unersättlichkeit beschreibt Elfriede Jelinek in den beiden Romanen „Lust“ von 1989 und „Gier“ aus dem Jahr 2000. Ihr Sprachgebäude ist ein genialer Mix aus Klang, Geste, Mimik und Blick.

Gegenwartsphänomene sind in den Stücken von Elfriede Jelinek allgegenwärtig

Elfriede Jelinek tummelt sich auch gerne mit ihren Stücken in der Kampfzone des Feminismus. Im „Sportstück“ heißt es zum Beispiel: „Am liebsten wäre mir, ich könnte meine eigene Frau werden, das wäre der einzige Zustand, in dem mich die Zumutung eines anderen Körpers nicht in rasenden Zorn versetzen würde.“ Elfriede Jelinek beschreibt die Frau in der Regel als Opfer, den Mann als von seinen Gewalt- und Sexualtrieben gesteuerten Täter.

Ein Erkennungsmerkmal der Texte der Literaturnobelpreisträgerin sind die Gegenwartsphänomene, von denen fast keines ausgelassen wird. Die Autorin interessiert sich auch für die Abgründe der Macht und alle Formen der Abhängigkeit. Ihre Themen sind unter anderen der Körperwahn und die Gier nach dem Geld.

Kurzbiographie: Elfriede Jelinek

Elfriede Jelinek wurde am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag, in der Steiermark geboren. Ihre Kindheit und Jugend wurde entscheidend geprägt von einer katastrophalen Beziehung zu ihrer Mutter Olga, die aus ihr ein musikalisches Wunderkind machen wollte. Sie studierte am Konservatorium in Wien Klavier, Orgel, Flöte und die Kunst des Komponierens. 1974 heiratete sie und lebt seither abwechselnd in München und in Wien.

Inzwischen hat Elfriede Jelinek die verschiedensten Literaturpreise gewonnen: 1996 den Literaturpreis der Stadt Bremen, den renommierten Georg-Büchner-Preis im Jahr 1998, sechs Jahre später den Mühlheimer Dramatikerpreis und als Höhepunkt in ihrer Schriftstellerkarriere den Nobelpreis für Literatur im Jahre 2004.

Von Hans Klumbies