Die Ritter sind die sozialen Aufsteiger des Mittelalters

Die Feudalgesellschaft des Mittelalters wird von zwei Schichten beherrscht, dem weltlichen und dem geistigen Stand, vertreten durch Kaiser und Papst. In allen weltlichen Dingen ist der Kaiser Gott verantwortlich; ihm ist aber auch der Schutz der Kirche anvertraut, und gemeinsam mit dem katholischen Kirchenoberhaupt ist er für das Wohl und Wehe der abendländischen Christenheit verantwortlich. Der Kaiser ist aber auch ein idealer Vertreter des Standes der Ritter und des Volks seines Reichs. Der Ritterstand taucht nicht erst in der Epoche der Staufer auf, er ist eine gesamteuropäische Erscheinung. Der Ritter ist zunächst Krieger, ein Reiter in Rüstung und gibt den Ausschlag bei der Stärke eines Heeres. Ökonomisch gesehen ist er dem Landadel zuzurechnen, oder aber er besitzt als Ministerialer zumeist ein Lehen, das vielfältige Formen annehmen kann, ihm aber in jedem Fall regelmäßige Einkünfte sichert.

Die Ritter bilden die Oberschicht des Adels

Die Epoche der Staufer ist eine Zeit der ritterlichen Aufsteiger. Sie entwickeln sich zu tüchtigen Beamten in der Verwaltung, haben Reichshofämter im Heer und der Verwaltung inne oder leben als regionale Statthalter. Den Rittern unterliegen Rechtsprechung sowie die Ausübung des Münz-, Wege- und Zollrecht und vieles mehr. Am aufkommenden Geldverkehr hat der Ritter noch nicht teil, während Handel und Handwerk gerade zur Zeit der Staufer einen Aufschwung erleben und sich rasch ein Stadtpatriziat bildet, das Einfluss auf feudale Besitz- und Verkehrsformen zu nehmen sucht.

Das Rittertum bildet im feudalen Mittelalter die Oberschicht des Adels mit einem eindeutigen Führungsanspruch. Der dritte Stand, Bauern und Bürger, hat zu jenem Zeitpunkt noch zu keinem standesbewussten Selbstbewusstsein gefunden. Aus diesen sozialen Voraussetzungen entwickelt sich das Ständeideal der ritterlich-höfischen Dichtung. Der Ritterstand bildet in sich eine ideale Einheit, in welcher der der eigentlich unbedeutende Kreuzritter gleichrangig neben dem Kaiser steht. Das Lehenswesen stellt ein gemeinsames Band wechselseiger Abhängigkeit und Treue dar.

Die ritterliche Dichtung bewegt sich in einem idealen Raum

Die Ehre der Ritter besteht in der Wahrung der Standesgesetze und der Sittsamkeit. In der Literatur der Stauferzeit wird die Bezeichnung „Ritter“ nahezu beliebig verwendet. Fast alle männlichen Figuren, auch Randfiguren, werden mit diesem Prädikat belegt. Sie werden mit keinem eindeutigen, konventionellen Sozialcharakter konfrontiert. Was ein Ritter ist, wird dichterisch mit jeder Geschichte in Frage gestellt und neu definiert. Nur so kann das Publikum, die adelige Oberschicht, die sich ihrer ständischen Identität ja bewusst ist, überrascht und unterhalten werden.

Es ist oft genug betont worden, dass sich die ritterliche Dichtung in einem idealen Raum bewegt, der der Welt und der Realität enthoben ist. Die Abenteuer und Verwicklungen, die dem Ritter dort begegnen, seien aus dem Zwang zu erklären, den in der Tat stilbildenden Artusdichtungen neue Sichtweisen abzugewinnen. Ein erheblicher Anteil aber an der Künstlichkeit epischer Gestaltung, insbesondere im höfischen Unterhaltungsroman, dürfte auf das höfische Gefallen am ästhetischen Raffinement zurückgehen. Quelle: „Deutsche Literaturgeschichte“ aus dem Verlag J. B. Metzler

Von Hans Klumbies