Die Fähigkeit zum Genuss ist das höchste Glück des Menschen

Aristipp von Kyrene (435 – 350 v. Chr.) war ein Schüler des Sokrates und ein Zeitgenosse des Diogenes. Er verkehrte am Hof des Tyrannen Dionysios. Für Aristipp und seine Schule der Kyrenaiker können der Wahlfreiheit eines Menschen ausschließlich die eigenen Empfindungen als Richtschnur gelten. Ludger Pfeil ergänzt: „Aristipps Bedürfnisse gingen allerdings weit über Diogenes` minimalistisches Einfachstleben hinaus. Und Dionysios bot ihm die einträgliche Geldquelle zu deren Finanzierung.“ Die Fähigkeit zum Genuss erklärt Aristipp kurzerhand zum höchsten Glück des Menschen und zur einzigen Tugend, die er gelten lassen will. Lustgewinn heißt das von ihm ausgerufene Ziel, wobei die Lust des Augenblicks als einzig wirkliche angesehen wird und keine Vertröstungen duldet. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

Ein unverhofftes Vergnügen sollte immer als Geschenk angenommen werden

Versprechungen zukünftiger Genüsse sind Aristipp zu unsicher. Körperliche Freuden sind seiner Meinung nach geistigen vorzuziehen, denn sie wirken stärker und direkter. Die Vernunft erfüllt ihre Aufgabe am besten, wenn sie einem Menschen Hilfestellung beim Genießen leistet, anstatt ihm dreinzureden. Über die Empfindungen von Lust hinaus, kann man kein weiteres Glück erwarten, daher sollte ein Vergnügen, dem man unverhofft begegnet, niemals ausgeschlagen, sondern freudig begrüßt und als willkommenes Geschenk angenommen werden.

Das Trachten nach Reichtum, das Aristipp von seinen Philosophenkollegen vorgeworfen wird, ist für ihn keinesfalls Selbstzweck. Ludger Pfeil erläutert: „Er ist sich lediglich bewusst, dass Besitz es erheblich erleichtert, zu häufigen Annehmlichkeiten und intensiven Lustmomenten zu gelangen. Geld macht nicht glücklich, wohl aber das Vergnügen, dass man sich damit verschaffen kann.“ Die abgeklärte Haltung, in der sich Aristipp bei allen Ausschweifungen treu blieb, verlangte sogar seinem Konkurrenten Platon Anerkennung ab.

Für Aristipp sind Lustverächter lediglich Heuchler

Platon sagte zu Aristipp: „Du bist der einzige, dem es gegeben ist, im Prachtgewand und in Lumpen aufzutreten.“ Eine Spur von Ironie verhüllt dabei kaum Platons Neid, denn Aristipp hatte es echt drauf, für seine Philosophie bezahlt zu werden. Aristipp verstand es bei aller Lustorientierung, auch mit seinem Verlangen spielerisch umzugehen und sich nicht zu seinem Sklaven zu machen. Er wollte nicht verzichten, sondern der Lust entgegenkommend gebieten, ohne ihr zu unterliegen, und lieferte anschauliche Beweise seiner inneren Unabhängigkeit von äußeren Reizen.

Eine gewisse Lässigkeit machte Aristipp – bei allen propagierten und praktizierten sexuellen Ausschweifungen – nicht zum Abhängigen seiner Begierde. Wie ein wahrhafter Zen-Mönch predigte er das „Nicht-Anhaften“, denn nicht das Vergnügen, sondern nur die Fixierung erzeugt Sucht. Seiner Überzeugung nach sind die meisten lautstarken Lustverächter lediglich Heuchler. Sie erklärten die Zurückhaltung wortreich zur Tugend und versagen sich dabei ihre Genüsse in Wahrheit nur aus Geldmangel oder Geiz. Quelle: „Du lebst, was du denkst“ von Ludger Pfeil

Von Hans Klumbies