Deutschlands wichtigste Ökonomen geben Einblicke in ihr Schaffen

In einer großen Umfrage hat die Süddeutsche Zeitung im Sommer 2015 tausend deutsche Ökonomen zu den drängendsten Fragen der Gegenwart befragt. Die Antworten fielen überraschend überaus vielfältig aus. Darauf beschloss die Redaktion, stellvertretend für alle, 36 Ökonomen in dem Buch „Denk doch, wie du willst“ vorzustellen. Sie sind unter 50 Jahren, forschen in Deutschland und zählen zur Elite ihres Fachs. Viele Wirtschaftswissenschaftler bauen eine Welt der Modelle, in der alles nach bestimmten Regeln abläuft – und sind dann sehr erstaunt, dass das wahre Leben ganz anders spielt. Dass plötzlich eine große Wirtschaftskrise ausbricht, die Banken keine Zinsen zahlen und die Ungleichheit wächst. Das Herausgeberteam Marc Beise, Catherine Hoffmann und Ulrich Schäfer warnen allerdings davor, die Ökonomie zu vergessen und sie nicht mehr ernst zu nehmen.

Clemens Fuest verfügt über großen Einfluss bei Politikern

Denn inzwischen rütteln viele Wirtschaftswissenschaftler an alten Dogmen. Sie erforschen in Experimenten, wie die Bürger wirklich ticken, und arbeiten eng mit Historiker und Psychologen zusammen. Im Vorwort schreibt Ulrich Schäfer, dass was die Deutschen über ihre Ökonomen denken, vor allem durch die Medien gesetzt wird: „Wer dort auftaucht und zitiert wird, der prägt, was die Bundesbürger über die Wirtschaft denken.“ Die mehr als 5.000 deutschen Ökonomen befassen sich nicht nur mit der Euro-Krise, mit der Konjunktur oder dem Arbeitsmarkt.

Sondern sie forschen, denken und publizieren zu allem, was das Leben ausmacht: Familie und Bildung, Empathie und schließlich der Mensch selbst. Zu den bekanntesten Ökonomen Deutschlands zählt ohne Zweifel Clemens Fuest, der über großen Einfluss bei den Politikern in Berlin und Brüssel verfügt. Er leitet das hoch angesehene Ifo-Institut in München. Der Finanzwissenschaftler plädiert für eine bessere Bankenaufsicht und eine europäische Insolvenzverordnung, also klare Regeln für den Fall, dass ein Staat pleitegeht.

Lars Feld ist ein Anhänger der sozialen Marktwirtschaft

Zu einem der Top-Ökonomen Deutschlands gehört auch Marcel Fratzscher. Er ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Berater von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Manche Kritiker ärgern sich über Marcel Fratzscher, weil sie in ihm den Mann sehen, der den Politikern die Lizenz erteilt, mehr Geld auszugeben. Der Ökonom kontert: „Ich will nur, dass der Staat das Steuergeld besser ausgibt.“ Und dabei sei es richtig, sich mehr auf öffentliche Investitionen und Bildung zu konzentrieren.

Auch einer der bekannteren Ökonomen in Deutschland ist der Wirtschaftsweise Lars Feld. Er leitet das Walter-Eucken-Institut und fühlt sich dem Erbe der Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet. Für ihn bleibt der Ordoliberalismus bis heute relevant. Lars Feld meint, dass die Grundidee der Ordnungspolitik noch gilt: die Wirtschaft machen lassen, sie nicht strangulieren, den Unternehmen nicht zu viel aufbürden, die Bürger nicht zu hoch besteuern, die Preise nicht verzerren, die Arbeitsverhältnisse nicht kleinteilig regeln, kurz: im Zweifel für den Markt und gegen den Staat zu entscheiden – aber, großes Aber – für all das einen Ordnungsrahmen zu setzen.

Denk doch, wie du willst
Überraschende Einblicke von Deutschlands wichtigsten Ökonomen
Marc Beise, Catherine Hoffmann, Ulrich Schäfer (Hrsg.)
Verlag: Süddeutsche Zeitung Edition
Broschierte Ausgabe: 271 Seiten, Auflage: 2016
ISBN: 978-3-86497-340-6, 14,90 Euro

Von Hans Klumbies