Der Staat handelt nicht immer im Interesse des Gemeinwohls

Ebenso wie die Märkte unterliegen auch staatliche Strukturen einer Dynamik, die nicht automatisch dazu führt, dass der Staat im Interesse des Gemeinwohls agiert. Gerhard Schick erklärt: „Auch staatliche Macht kann problematisch sein. Und gerade zurzeit wird der Staat von vielen Menschen als der „Staat der anderen“ wahrgenommen.“ Machtwirtschaft ist auch dem staatlichen Bereich nicht fremd. Denn die Strategie, mittels staatlicher Institutionen individuelle Interessen zu verfolgen, ist häufig lukrativ. Einer der für Gerhard Schick wichtigsten Ökonomen bei der Analyse machtwirtschaftlicher Strukturen ist Mancur Olson. Der Kern seiner Arbeit betraf Machtstrukturen in Markt und Staat und wie diese jegliche positive Entwicklung hemmen können. In seinem Werk „Die Logik des kollektiven Handelns“ beschreibt er, wie kleine Interessengruppen den Staat überaus effizient für ihre Belange einspannen. Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

Einflussreiche Gruppen können Innovationen bremsen

Für die Mitglieder einer solchen Interessengruppe zeichnet sich der mögliche Profit oder der drohende Verlust, den eine geplante Gesetzesänderung zur Folge hätte, meist frühzeitig und so deutlich ab, dass eine Mobilisierung leichtfällt. Gerhard Schick fügt hinzu: „Vor allem sind sie bereit, einen Preis dafür zu bezahlen, dass im Interesse der Gruppe auf den Staat Einfluss genommen wird.“ Dies sind die „Lauten“ oder „Effizienten“, die es verstehen, ihre Anliegen klar und deutlich oder geräuschlos und wirkungsvoll in staatliches Handeln zu integrieren.

Dagegen können sich die Vielen, die durch Privilegien für Wenige einen Nachteil haben, einfach nicht so gut organisieren. Und es fällt dem Einzelnen oft auch nicht auf, ob er durch bestimmte staatliche Handlungen gewinnen oder verlieren könnte. Wenn sich dagegen einflussreiche Gruppen in Verteilungskoalitionen zusammenschließen, können sie ein Land quasi unregierbar machen und gleichzeitig Innovationen bremsen. Dies kann einen schleichenden Verfall vormals erfolgreicher Gesellschaften zur Folge haben.

Der Einfluss der Reichen auf die Politik wächst

Dass Menschen für ihre Interessen werben, dass auch Unternehmen und Verbände das tun, ist in einer Demokratie normal. Gerhard Schick warnt: „Aber problematisch ist es, wenn die Balance zwischen den Interessen in einer Gesellschaft nicht stimmt, wenn die Einflussnahme Einzelner auf politische Entscheidungen zu stark wird und wenn sich die Macht in unserer Demokratie langsam, aber stetig vom Souverän entfernt.“ So führt beispielsweise die wachsende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen zu wachsendem Einfluss der Reicheren auf die politischen Entscheidungen.

Der Nobelpreisträger für Ökonomie, George Stigler, beschreibt, wie Unternehmen staatliche Regeln im Interesse ihres Profits gestalten. Im Extremfall ist der Staat gar nicht mehr in der Lage, adäquat zu regulieren, weil diejenigen, die er beaufsichtigen und denen er Regeln setzen soll, seine Organe schlicht vereinnahmen. „Bei vielen Entscheidungen waren wir auf den Rat der Banken angewiesen“, erklärt ein Spitzenbeamter aus dem Bundesfinanzministerium genau dieses Phänomen mit Bezug auf Reformen an den Finanzmärkten. Quelle: „Machtwirtschaft nein danke!“ von Gerhard Schick

Von Hans Klumbies