Der politische Begriff des Konservatismus

Der Konservatismus galt vor noch gar nicht so langer Zeit in Deutschland als Schimpfwort. Selbst rechte Politiker wehrten sich zuweilen als konservativ bezeichnet zu werden. Mit dem Konservativismus verbanden die Deutschen das Erstarrte und Autoritäre, das Korrupte und ewig Gestrige. Alle diese Behauptungen tragen sicher einen Kern von Wahrheit in sich. Doch eigentlich möchte der Konservatismus nur das Bewährte vor einem zweifelhaften Fortschritt bewahren. Der Konservatismus hat also zwei Gesichter – er kann sowohl etwas Schlechtes wie Vorurteile oder Privilegien schützen als auch etwa gutes wie Rechtsstaatlichkeit und Freiheit verteidigen.

Das Bestehende braucht keine Rechtfertigung

Joachim Gauck hat sich einmal als linken Konservativen bezeichnet. Das ist keineswegs so abwegig, wie es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Linke werden dann zu Konservativen, wenn sich ihre linken politischen Positionen schon einmal durchgesetzt, dann aber in eine Verteidigungsposition geraten sind. Was dagegen nicht existiert, ist ein linker Konservatismus als Prinzip, denn das ist ein Widerspruch in sich. Denn die Linken vertreten den Anspruch, die Welt grundsätzlich verändern zu wollen, während der Konservative fast ausschließlich das Bestehende bewahren möchte.

Wahr ist, dass der Konservative den Fortschritt fürchtet. Er hat nicht nur Angst vor linken Reformen oder Revolutionen, sondern lehnt auch ungehemmte technische oder wirtschaftliche Innovationen strikt ab. Der Konservative erträgt den Fortschritt nur in kleinen Portionen. Und nur dann, wenn er die bestehenden Werte und Strukturen vorsichtig an eine sich verändernde Gesellschaft angleicht. Das Bestehende muss sich in der Ansicht eines Konservativen aus keinerlei Gründen rechtfertigen, der Wunsch nach Veränderung dagegen muss exakt begründet werden.

Konservative Politik ist reine Machtpolitik

Ein konservativer Mensch vertritt eine skeptische Haltung gegen die Technik und den Glauben an den Forschritt vor allem deshalb, weil er in ihnen menschliche Phantasien der Allmacht zu erkennen glaubt. Er glaubt nicht daran, dass der Mensch, alle Auswirkungen seines Handelns beurteilen kann. Er fürchtet sich davor, dass eine ursprünglich gut gemeinte Innovation, ungeahnte Schrecken verbreiten kann. Der Konservative glaubt auch nicht an den guten Kern im Menschen oder gar daran, dass man mit einer humanen Politik, die Menschen zu Humanisten erziehen könnte.

Unter Politikwissenschaftlern besteht kein Zweifel daran, dass konservative Politik reine Machtpolitik ist. Bei allen politischen Auseinandersetzungen und Problemen stehen für den Konservativen im Zentrum immer die Machtfrage, die Gegensätze von Interessen und die Auseinandersetzungen um gegensätzliche Werte. Ein konservativer Politiker braucht die Macht, um das Bestehende, sei es gut oder schlecht, vor einer Veränderung zu schützen, die sich seiner Kontrolle entzieht. Der Konservative sieht in seinen Mitmenschen immer das Böse, an Ideale glaubt er nicht.

Von Hans Klumbies