Der Mensch ist für seine Taten verantwortlich

Julian Baggini hat in seinen Schriften mehrfach betont, dass der Mensch selbstständig wählen, autonome Entscheidungen fällen und authentisch leben soll. Der Mensch muss seine eigenen Entscheidungen treffen und Verantwortung für sein Leben übernehmen, so lautet seine zentrale These. Das setzt allerdings einen freien Willen voraus. Julian Baggini stellt die Frage, was passieren würde, wenn der Mensch diese Freiheit des Willens nicht besitzen würde. Für ihn ist es nicht völlig absurd anzunehmen, dass der Mensch keinen freien Willen besitzt, wie er ihn sich für gewöhnlich vorstellt. Unter freiem Willen versteht man in der Regel die Möglichkeit, eine andere Wahl zu treffen, als man es tut.

In der heutigen Zeit bleibt kein Platz für den freien Willen

Die Menschen scheinen heute in einer Welt zu leben, in der jedes physische Ereignis eine physische Ursache hat und alle ihre Handlungen physische Bewegung erfordern. Das führt laut Julian Baggini zu einer erstaunlichen Erkenntnis: Alle menschlichen Handlungen werden vollständig von Ereignissen in der physischen Welt verursacht. Und weil die physische Kausalität deterministisch ist, das heißt, dass Ursachen notwendigerweise Folgen zeitigen, bleibt kein Platz für den freien Willen.

Dieser Erkenntnis entgeht der Mensch auch nicht, wenn er sich auf die Formen nichtdeterministischer Kausalität der Quantentheorie beruft, wo Ursachen ihre Folgen lediglich mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Auch sie lässt keinen freien Willen zu, denn eine freie Entscheidung bedeutet nicht, eine wahllose zu treffen oder eine, bei der die Ursachen im Hinblick auf ihre Folgen Raum für den Zufall lassen.

Für David Hume besitzt der Mensch immer einen freien Willen

So drängt sich für Julian Baggini der wenig erfreuliche Schluss auf, dass die Handlungen der Menschen nicht die Folge ihrer freien Entscheidungen sind, sondern durch die ihnen vorausgehenden physischen Ereignisse erforderlich werden. Die Diskussion darüber, ob der Mensch einen freien Willen besitzt oder nicht, gehört zu den längsten und kontroversesten in der Geschichte der Philosophie. Viele Philosophen, besonders David Hume, haben sich bei dieser Frage für eine Position entschieden, die unter der Bezeichnung „compatibilism“ bekannt geworden ist.

Die Kompatibilisten vertreten die These, dass der Mensch selbst dann einen freien Willen besitzt, wenn die metaphysische Doktrin der Notwenigkeit stimmt, weil es sich dabei einfach um die Fähigkeit handelt, Entscheidungen ohne äußere Zwänge oder Einwirkung zu treffen. Der freie Wille ist dabei die ungehinderte Ausübung eines Entscheidungsfindungsprozesses, nicht die Ansicht, dass dieser Prozess irgendwie außerhalb der normalen Kausalitätsgesetze steht.

Die Menschen müssen selbst ihre Probleme lösen

Alle Philosophen sind sich über folgendes einig: Auch wenn der Determinismus als zutreffend angenommen wird, sollte das die allgemeine Vorstellung vom freien Willen nicht beeinflussen. Julian Baggini schließt allerdings nicht aus, dass metaphysische Argumente zur Notwenigkeit die Alltagsvorstellungen vom freien Willen aushöhlen könnten. Aber egal, was Metaphysiker über den freien Willen sagen – die Menschen müssen in einer Welt voller Wahlmöglichkeiten leben, und als Wesen, die denken und Entscheidungen treffen können, ihre Probleme lösen.

Immanuel Kant hat das folgendermaßen formuliert: „Die Vernunft in spekulativer Absicht findet den Weg der Naturnotwendigkeit viel gebahnter und brauchbarer … als den der Freiheit: so ist doch in praktischer Absicht der Fußsteig der Freiheit der einzige, auf welchem es möglich ist, von seiner Vernunft bei unserem Tun und Lassen Gebrauch zu machen.“

Von Hans Klumbies