Der rasante Aufstieg Deutschlands zur Führungsmacht

Deutschland hat außenpolitisch stark an Macht gewonnen. Laut Ulrich Speck hat spätestens die Eurokrise offenbart, dass sich Deutschland zum Schlüsselstaat in Europa entwickelt hat. Ulrich Speck erklärt: „Ökonomische Stärke, zentrale Lage und europäische Integration haben das vereinigte Deutschland in eine Rolle gebracht, die es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr haben wollte.“ Ohne die Bundesregierung in Berlin herrscht in den wichtigsten Fragen Stillstand in Europa, auch weltweit ist Deutschland zu einem bedeutenden Staat aufgestiegen. Für Ulrich Speck gibt es darum keinen Zweifel, dass sich Deutschland möglichst rasch entscheiden muss, was es mit der ihm zufallenden Macht anfangen will. Ulrich Speck ist außenpolitischer Analyst und Kommentator in Heidelberg.

 Die drei außenpolitischen Optionen Deutschlands

Welchen Weg die deutsche Außenpolitik einschlagen soll, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen in der Bundesrepublik. Ulrich Speck zeigt drei Möglichkeiten auf: „Zugespitzt gesagt, gibt es die nationale, die transatlantische und die europäische Option.“ Er plädiert dabei für eine öffentliche Diskussion, um sich der Chancen und Risiken dieser Möglichkeiten bewusst zu werden. Zudem benötigt die Außenpolitik einer Führungsmacht einen internen Konsens.

Die nationale Option besteht für Ulrich Speck darin, dass sich Deutschland stärker auf die Verfolgung eng definierter, vor allem wirtschaftlicher Interessen konzentriert. Als außenpolitischer Analyst hält er nichts von einem solchen deutschen Sonderweg: „Für einen echten Alleingang ist Deutschland nicht groß genug. Der Blick auf Geschichte und Geographie führt zu dem Schluss, dass Deutschlands Wohlergehen entscheidend auf die vertrauensvolle Kooperation mit den Nachbarn angewiesen ist. Nur wenn es im Konzert agiert, ist Deutschland wirklich stark.

Konkurrierende Machtzentren sind ein Sicherheitsrisiko für Deutschland

Der transatlantische Weg in der Außenpolitik wäre eine enge Anbindung an die USA. Wenn Deutschland sich auf diese Option einlassen würde, könnte es laut Jürgen Speck erheblich dazu beitragen, die Erosion der amerikanischer Führungsmacht zu stoppen. Er erklärt: „Wenn die liberale Weltordnung, wie sie auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgebaut wurde, Bestand haben soll, müssen Amerika und Europa eng kooperieren.“ Ansonsten könnten konkurrierende Machtzentren entstehen, die ein Risiko für die Sicherheit und die Prosperität Deutschlands wären.

Der dritte gangbare Weg für die deutsche Außenpolitik wäre der Aufbau einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der Europäischen Union. Bisher schrecken allerdings laut Ulrich Speck alle beteiligten Staaten vor einer Vergemeinschaftung ihrer Außenpolitik zurück. Seiner Meinung nach sind folgende Voraussetzungen dafür nötig: „Eine echt gemeinschaftliche Außen- und Sicherheitspolitik aber, die die EU auf Augenhöhe mit den USA und China bringen würde, hat einen Preis. Alle Staaten müssten den neuen diplomatischen Dienst als gemeinsames Dach und gemeinsame Bühne akzeptieren und auf nationale Sonderwege verzichten.“

Von Hans Klumbies