Gary Becker betrachtet die Ehe und die Familie als Unternehmen

Ökonomen bezeichnen mit dem Wort Humankapital das Wissen und die Fähigkeiten sowie die persönlichen Eigenschaften von Menschen. Das Wort ist in der Wirtschaftswissenschaft positiv besetzt und signalisiert den Wert, die eine gute Ausbildung für die Menschen darstellt. Wie kaum ein anderer hat der amerikanische Ökonom Gary Becker das Humankapital erforscht. Im Jahr 1964 schrieb er ein Standardwerk, in dem er die Bedeutung des Humankapitals für das individuelle Wohlergehen einer Person analysierte. Gary Becker glaubte fest an die Fähigkeit eines jeden Menschen, seine Talente zu entfalten, wenn ihm die Möglichkeit dazu gegeben wird. Er fasste den Menschen dabei allerdings keineswegs nur als Wirtschaftsgröße oder Maschine auf. Im Jahr 1992 wurde er mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Gary Becker starb am 3. Mai 2014 in Chicago im Alter von 83 Jahren.

Auf dem Heiratsmarkt spielen Angebot und Nachfrage eine große Rolle

Gary Becker erhielt den Nobelpreis für die „Ausdehnung der mikroökonomischen Theorie auf einen weiten Bereich menschlichen Verhaltens“. Am bekanntesten dürfte seine ökonomische Theorie der Ehe und der Familie sein. Im Kern betrachtet Gary Becker dabei die Ehe und Familie als ein Unternehmen. Seiner Meinung nach finden Mann und Frau auf einer Art Heiratsmarkt zusammen, der den Regeln von Angebot und Nachfrage entspricht. In einer Ehe kombinieren die Partner ihre Zeit, ihre Arbeitskraft oder ihr Gehalt als Produktionsfaktoren, um gemeinsam einen Mehrertrag zu realisieren.

Unter den gemeinsamen Produkten einer Ehe versteht Gary Becker die Haushaltsarbeit, die gemeinsame Wohnung, Wärme und Zuneigung und nicht zuletzt Kinder. Die Liebe ist eine zusätzliche Bedingung, die Gary Becker in seine Analyse einbaut, denn sie hat großen Einfluss darauf, welche Partner zueinander finden. Dieser ökonomische Ansatz kann einige Veränderungen rund um die Familie relativ gut erklären. Zum Beispiel: Je mehr Geld eine Frau in ihrem Beruf verdient, desto höher sind die Opportunitätskosten der in der Familie verbrachten Zeit.

Nur Reiche können sich eine reine Liebesheirat leisten

Daraus folgt, dass die Zahl der Geburten rückläufig ist. Die sinkende Kinderzahl in den westlichen Gesellschaften hat laut Gary Becker auch damit zu tun, dass der Wert einer guten Ausbildung steigt. Damit lohnt es sich, weniger Kinder zu bekommen, ihnen aber eine bessere Ausbildung auf ihren Lebensweg mitzugeben. Gary Beckers Theorie vertritt auch die These, dass Frauen eher die Scheidung einreichen, wenn sie sich am Arbeitsmarkt allein versorgen können. Oder dass wohlhabende Ehen seltener geschieden werden, weil der finanzielle Anreiz einfach größer ist, zusammenzubleiben.

In seiner Nobelpreisrede wies Gary Becker darauf hin, dass der Widerstand gegen seine ökonomische Erklärung der Familie vor allem aus gebildeten Kreisen komme. Den weniger gebildeten leuchtet es ein, dass Menschen heiraten oder sich scheiden lassen, um ihr eigenes Wohlergehen zu verbessern. Das könnte zu dem Schluss führen, dass sich reine Liebesheiraten nur diejenigen leisten können, die wirtschaftlich abgesichert sind, was sie in der Regel einer guten Ausbildung zu verdanken haben. Gary Beckers Studien sind ein steter Versuch, herauszufinden, wie weit die ökonomische Analysemethode alltägliches Verhalten erklären kann. Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Von Hans Klumbies