David Brooks stellt verschiedene Formen des Stolzes vor

Was ist Hochmut beziehungsweise Stolz? Heutzutage ist das Wort „Stolz“ positiv besetzt. David Brooks erläutert: „Es bedeutet mehr oder minder, ein gesundes Selbstwertgefühl zu besitzen.“ Wenn man es negativ verwendet, denkt man in erster Linie an eine überhebliche Person, jemanden, der aufgeblasen und egoistisch ist, angibt und herumstolziert. Aber das ist nicht der Kern des Stolzes. Es ist lediglich eine Manifestation der Krankheit Stolz. In einer anderen Definition besteht Stolz in der Zufriedenheit, die man aus dem zieht, was man aus eigener Kraft erreicht hat, wobei die geleistete Arbeit das Maß des Selbstwerts ist. Es ist die Überzeugung, dass man von sich aus, durch eigene Anstrengung die Erfüllung erreichen kann. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

Donald Trump trägt aufgeblasenen Stolz zur Schau

Stolz kann in aufgeblasener Form auftreten. Dies ist die Art von eingebildetem Stolz, die beispielsweise der amerikanischen Geschäftsmann und Politiker Donald Trump zur Schau trägt. Eine solche Person will anderen Menschen ihre Überlegenheit unmissverständlich vor Augen führen. Sie will auf der VIP-Liste stehen. Im Gespräch schneidet sie auf und spukt große Töne. David Brooks ergänzt: „Andere Menschen sollen ihr in ihren Blicken ihre Vormachtstellung widerspiegeln. Sie glaubt, das ihr ihr Überlegenheitsgefühl schließlich inneren Frieden bringen wird.“

Dieser Typus ist den meisten Menschen vertraut. Aber es gibt auch andere stolze Menschen, die nur ein geringes Selbstwertgefühl haben. Sie haben das Gefühl, dass sie ihr Potential nicht ausschöpfen. Sie fühlen sich unwürdig. Sie wollen sich verstecken und verschwinden, in den Hintergrund treten und ihre Kränkungen pflegen. Man empfindet diese Menschen normalerweise nicht als stolz, und doch leiden sie im Grunde an derselben Krankheit. Auch sie verknüpfen Glück mit äußerem Erfolg. Sie sind auf ihre Weise genauso ichbezogen, nur eher in einer selbstmitleidigen und sich absondernden, statt in einer auftrumpfenden und angeberischer Weise.

Der stolze Mensch ist in Wirklichkeit empfindlich und instabil

Ein zentrales Paradoxon des Stolzes besteht darin, dass er oftmals extremes Selbstvertrauen mit extremer Angst verbindet. Der stolze Mensch wirkt vielfach selbstgenügsam und egoistisch, ist aber in Wirklichkeit empfindlich und instabil. Der Stolze versucht sein Selbstwertgefühl dadurch zu konsolidieren, dass er sich einen hervorragenden Ruf erwirbt, aber dadurch begibt er sich in totale Abhängigkeit von der klatschsüchtigen und launenhaften Menge. Der Stolze will sich mit den anderen messen. Aber es gibt immer Menschen, die ihm überlegen sind.

David Brooks erklärt: „Der ehrgeizigste Mensch in einem Wettstreit gibt den Maßstab vor, den alle anderen erreichen oder übertreffen müssen. Alle anderen müssen genauso zwanghaft erfolgsorientiert sein.“ Man ist nie sicher. In seiner Gier nach Bewunderung macht sich der Stolze gern lächerlich. Arrogante Menschen haben eine erstaunliche Neigung, sich selbst zum Clown zu machen. Jeder stolze Mensch, schreibt Augustinus, „achtet auf sich selbst, und wer sich selbst gefällt, kommt sich selbst bedeutend vor. Wer sich aber selbst gefällt, gefällt einem Narren, denn er selbst in ein Narr, wenn er sich gefällt“. Quelle: „Charakter“ von David Brooks

Von Hans Klumbies