Millionen Deutsche leiden unter chronischen Schmerzen

In vielen Fällen beginnt das Leiden ganz harmlos. Plötzlich kann es aber unerträglich werden. Wie zum Beispiel akute Rückenschmerzen, von denen zwei Drittel aller Deutschen einmal im Leben betroffen sind. Meist verschwinden diese von allein wieder. Es kommt aber gar nicht so selten vor, dass sie unerwartet zurückkehren, jedes Mal länger bleiben und immer bedrückender werden. Dies kann der Beginn einer langen Leidensgeschichte sein. Millionen Deutsche leiden unter chronischen Schmerzen. Aus verschiedensten Gründen ist eines Tages der Punkt erreicht, an dem sich der Schmerz selbst zur Krankheit entwickelt hat. Der Schmerz ist immer da, er kann über Jahre anhalten. Um diese Patienten, die von einem Dauerschmerz gequält werden, die von keinen körperlichen Symptomen verursacht werden, kümmert sich der Schmerzspezialist Wolfgang Koppert von der Medizinischen Hochschule Hannover.

In Deutschland gibt es rund 150 Schmerzzentren

Wolfgang Koppert erklärt: „Diese Menschen sind zugleich über-, unter- und fehlversorgt. Sie bekommen viel zu spät Hilfe und häufig die falsche.“ In Deutschland gibt es geschätzt zwischen 12 und 18 Millionen Menschen, die an ständigen Schmerzen leiden. Die Schmerzmedizin soll endlich zum Pflichtfach für Medizinstudenten werden. Wolfgang Koppert fordert: „Schmerztherapie wird im Rahmen vieler Fächer wie Orthopädie und Neurologie gelehrt. Aber sie muss auch endlich selbst Lehrstoff werden.“

Für den Orthopäden Hans-Raimund Casser, Leiter des DRK-Schmerzzentrum Mainz, ist der Schmerz ein sehr weit verbreitetes Phänomen in der Medizin. Dennoch sind die meisten Allgemeinmediziner bei Patienten überfordert, die mit einem Dauerschmerz zu ihnen kommen. Der Anästhesist Andreas Kopf von der  Berliner Charité sagt: „Es wäre schon ein großer Fortschritt, wenn Ärzte diese Patienten erkennen und sie an einen Fachkollegen weiterschicken würden.“ Andreas Kopf leitet eines von etwa 150 Schmerzzentren in Deutschland.

Schmerzpatienten brauchen eine multimodale Therapie

Für Andres Kopf besteht keinerlei Zweifel, dass chronische Schmerzpatienten eine multimodale Therapie brauchen. Wenn Schmerzen zum Dauerzustand werden, spielt die Seele allerdings nur zum Teil eine entscheidende Rolle. Hans-Raimund Casser erklärt: „Wir wissen heute, dass das keine psychiatrischen Patienten sind.“ Vielmehr hat sich der Schmerz im Gehirn festgekrallt. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, fügt hinzu: „Beim Schmerz ist es fatal, dass unser Nervensystem extrem lern- und veränderungsfähig ist.“

Dennoch müssen sich die Ärzte auch um die Seele der Patienten kümmern, denn laut Andreas Kopf ist der Schmerz mehr als eine Nervenerregung. Oft tritt neben das körperliche Leid eine gequälte Psyche. Andras Kopf erläutert: „Der Patient hat Angst vor der Zukunft. Er wird auf Dauer sozial isoliert, weil er nicht an Unternehmungen teilnehmen kann. Am Ende droht der Verlust des Partners und des Arbeitsplatzes.“ Manchmal macht nicht der Schmerz das Dasein unerträglich, sondern das Leben macht die Pein so grauenvoll.

Von Hans Klumbies