Das psychische Immunsystem vermindert Stress

Das psychische Immunsystem erzeugt ein Sicherheitsnetz, das ein Individuum vor den Auswirkungen von chronischem Stress schützt. Zudem stärkt es Menschen, damit sie plötzliche Schicksalsschläge besser bewältigen können. Während das biologische Immunsystem einen Menschen am Leben hält, indem es ihn vor Krankheiten schützt, vermindert das psychische Immunsystem den erlebten Stress und hilft dabei, einer Depression vorzubeugen. Walter Mischel erklärt: „Das psychische Immunsystem findet Mittel und Wege, damit wir unsere guten Ergebnisse als Verdienst anrechnen und uns für schlechte nicht hassen.“ Das psychische Immunsystem hält die innere Überzeugung aufrecht, gut, klug und geschätzt zu sein. Sofern Menschen nicht an einer schweren Depression oder einer anderen psychischen Störung leiden, sind sie imstande, von sich selbst zu glauben, dass sie mehr positive und weniger negative Eigenschaften als die meisten ihrer Zeitgenossen haben. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

Positive Illusionen fördern die Gesundheit

„Selbstaufwerter“, also Menschen, die sich im Vergleich zu anderen überdurchschnittlich hoch einschätzen, weisen ein geringeres biologisches Stressniveau auf. Selbstaufwerter können sich in einen selbstberuhigenden, erholungsfördernden Zustand versetzen, in dem sie sich entspannen und regenerieren können, statt die Spannung für den nächsten Kampf aufzubauen. Diese Forschungsergebnisse widersprechen der traditionellen Auffassung, die noch immer von vielen Psychotherapeuten geteilt wird: Demnach seinen positive Illusionen und Selbstaufwertung der Abwehr dienende Verleugnungen negativer persönlicher Merkmale und Anzeichen von grandioser Selbstüberschätzung sowie neurotischem Narzissmus.

Walter Mischel betont: „Tatsächlich verbessern positive, selbstbestätigende mentale Zustände samt positiver Illusionen physiologische und neuroendokrine Funktionsmechanismen, die die Gesundheit fördern und den Stressspiegel senken.“ Menschen hingegen, die sich selbst realistischer wahrnehmen, haben ein geringeres Selbstwertgefühl und sind anfälliger für Depressionen, und ihr psychischer und körperlicher Zustand ist meistens schlechter. Gesündere Personen dagegen nehmen sich selbst in einem warmen, wenn auch leicht trügerischen Schleier wahr.

Das psychische Immunsystem lässt Menschen Schicksalsschläge leichter verkraften

Das psychische und das biologische Immunsystem funktionieren ganz ähnlich. Beide leisten dem Menschen gute Dienste, aber sie können auch Schaden anrichten, wenn sie überreagieren oder versagen. Jedes muss zwei konkurrierende Ziele austarieren. Das biologische Immunsystem muss körperfremde Eindringliche wie Viren erkennen und ausschalten, aber es darf nicht die gesunden Zellen des Körpers angreifen. Es mag ein Zeichen von Anpassungsfähigkeit sein und dem Selbstwertgefühl schmeicheln, wenn das psychische Immunsystem einem weismacht, man wäre besser als die meisten seiner gleichaltrigen Zeitgenossen – wenn man allerdings glaubt, man wäre besser als anderen, sieht es ganz anders aus.

Selbst wenn es dem psychischen Immunsystem gelingt, einen guten Mittelweg zwischen Selbstaufwertung und Realismus zu finden, lässt es einen Menschen oftmals falsche Voraussagen darüber treffen, wie man sich fühlen würde, wenn einem etwas Schlimmes zustieße. Walter Mischel erläutert: „Der Nachteil dieses Systems besteht darin, dass es uns unser zukünftiges Wohlergehen nicht zuverlässig vorhersagen lässt; der Vorteil liegt darin, dass es uns Schicksalsschläge leichter verkraften lässt.“ Quelle: „Der Marshmallow-Test“ von Walter Mischel

Von Hans Klumbies