Das Prinzip der Gerechtigkeit ist auf dem Vormarsch

Eine der Thesen von Axel Honneth, einem der bedeutendsten Philosophen der Gegenwart, lautet: „Nur wenn der Mensch um Anerkennung kämpft, kann er sein Recht auf Freiheit verwirklichen.“ Der Philosoph zählt zu den wichtigsten lebenden Vertretern der Kritischen Theorie. In seinem neuen Buch „Das Recht der Freiheit“ schreibt er: „Das Prinzip der Gerechtigkeit kommt immer stärker zur Entfaltung, da die Menschen nicht müde werden, bestehendes Unrecht einzuklagen.“ Zu den geistigen Vätern von Axel Honneth zählen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die Begründer der Frankfurter Schule und sein Doktorvater Jürgen Habermas, den er schon am Anfang seines Studiums für den stärksten Vertreter der Frankfurter Schule hielt.

In jeder Lebensphase kämpft der Mensch um Anerkennung

In seinem neuesten Werk „Das Recht der Freiheit“ spielt die Anerkennung eine ganz wesentliche Rolle. Axel Honneth sagt: „Als soziales Wesen wird der Mensch erst durch Anerkennung. Das geht an der Wiege los und endet mit dem Tod. Keine Lebensphase ist frei von Erfahrungen spezifisch getönter Anerkennung und vorenthaltener Anerkennung.“ In der Gesellschaft geht es laut Axel Honneth darum, dass Menschen die Möglichkeit haben, in den unterschiedlichen Bereichen ihres Lebens Anerkennung zu finden.

Es geht für Axel Honneth in einer Gesellschaft auch um Chancen, sich bei der Arbeit zu bewähren, gelungene Freundschaften, Liebesbeziehungen und gute Familienverhältnisse zu erfahren und auch darum, seine eigene politische Wirksamkeit spüren zu können. Eines der Hauptprobleme der Gegenwart sieht Axel Honneth in der Entpolitisierung des staatlichen Handelns. Er erklärt: „Der Staat wird mehr und mehr zum funktionalen Träger wirtschaftlicher Interessen, und daher rührt die immer geringere Erfahrbarkeit des eigenen demokratischen Wollens.“

Die Verselbstständigung der Finanzmärkte treibt die Entsozialisierung voran

Um die Anerkennungsverhältnisse in der Arbeitswelt sieht es laut Axel Honneth dramatisch schlecht aus. Er sagt: „Aufgrund der Entgrenzung des Marktes sind wir heute mit enormen Prekarisierungen konfrontiert. Überhaupt ist der Markt heute dermaßen entbettet, dass er gar nicht mehr als Teil der gesellschaftlichen Ordnung verstanden werden kann, sondern wie das Andere des Gesellschaftlichen erscheint.“ Zudem behauptet Axel Honneth, dass durch die Verselbständigung der Finanzwirtschaft und des Finanzkapitals diese Entsozialisierung noch viel stärker vorangetrieben wird.

Die Sucht nach Anerkennung in Castingshows oder der Drang heutiger Leistungsträger, immer noch erfolgreicher sein zu wollen, sind für Axel Honneth Pathologien der Anerkennung, eigentümliche Begierden nach öffentlicher Lobpreisung. Eine Ursache dafür vermutet Axel Honneth in der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse. Er erklärt: „Die Befriedigung, die früher durch betrieblich gebundene Anerkennungsmuster gewährleistet wurde, muss heute auf anderen Wegen erobert werden. Man könnte auch sagen, dass Familienverhältnisse früher doch stabiler waren und dass für die Anerkennung, die man dort erfuhr, heute Ersatz in der Öffentlichkeit gesucht werden muss.“  

Von Hans Klumbies