Das Leben und die Visionen des Barack Obama

Für Markus Günther ist der Senator Barack Obama aus Illinois, der für das Präsidentenamt der USA kandidierte und als erster farbiger Präsident ins Weiße Haus einzog, ein Aufsehen erregendes politisches Talent, der sich nicht, wie die meisten bisherigen Präsidenten, einem der traditionellen Machtzentren zuordnen lässt. Der Autor lebt als USA-Korrespondent deutscher Zeitungen in Washington und hat Barack Obama auf Wahlveranstaltungen intensiv und kritisch beobachtet. Die Amerikaner sehnten sich nach der Ära George W. Bush nach einem grundlegenden Richtungswechsel und Neuanfang. Obama kam bei ihnen auch deshalb so gut an, weil er genau so ehrgeizig, missionarisch und multikulturell ist wie das Land selbst.

Der Wahlkampf von Barack Obama

Markus Günther hat keine Biografie geschrieben, sondern einen ersten neugierigen Blick auf den Mann geworfen, der das Land schon vor seiner Wahl so aufgewühlt hatte wie vor ihm nur John F. Kennedy. Es sind nicht mehr und nicht weniger hastig aufgeschriebene Notizen eines Reporters im amerikanischen Vorwahlkampf. Daneben schildert er die Eigentümlichkeiten des amerikanischen Wahlkampfs, die Sitten und Unsitten der dortigen Politik und die inneren Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft.

Im ersten Kapitel „Auf den ersten Blick“ schildert Markus Günther einen Wahlkampfauftritt Barack Obamas in Birmingham, Alabama. Der Kandidat ist 46 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Töchter, hat in Harvard Jura studiert, ist Millionär und Bestsellerautor und hat je einen Wohnsitz in Chicago und Washington. Er ist der einzige Schwarze im Senat und erst der fünfte schwarze Senator überhaupt in der amerikanischen Geschichte.

Seine Rede in Birmingham war persönliches Credo und professionelle Wahlwerbung, Angriff und Abwehr, Standortbestimmung und Vorstellungsgespräch. Er trat ein für Gerechtigkeit und Chancengleichheit, für bessere Schulen, bessere Arbeitsplätze und eine Krankenversicherung für alle. Die zweitausend Anhänger die seine Rede hörten, waren begeistert. Sie glaubten zu Recht, dieser Mann hat das Zeug zum Präsidenten.

Die Wurzeln und Visionen von Barack Obama

Im zweiten Kapitel geht Markus Günther auf die Wurzeln und Visionen von Barack Obama ein. Der Kandidat kommt weder von oben noch von unten, er kommt von weit her. Geboren in Honolulu, besuchte er nach dem Umzug nach Indonesien öffentliche und private Schulen in Jakarta. Mit zehn Jahren kam er zurück nach Honolulu, wo er bis zum Ende der Schulzeit blieb. Amerika lernte Obama erst 1979 kennen, als er zwei Jahre am Occidental College in einem Vorort von Los Angeles verbrachte.

Danach wechselte er an die Columbia University in New York, um Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen zu studieren. Nach dem Examen nahm er einen Job als Assistent in der Forschungsabteilung von Business International Coporation an, einer Unternehmensberatung für multinationale Konzerne in Manhattan.

„Jede Veränderung fängt an der Basis an“

1985 zog Obama nach Chicago um und arbeitete dort in den Straßen als „community organizer“, der professionelle Sozialarbeit im Ghetto organisierte. Er selbst beschreibt seine Erfahrung wie folgt: „Bei meiner Arbeit, damals in Chicago, habe ich gelernt, dass jede Veränderung an der Basis anfängt und dass engagierte Bürger, die sich zusammentun, außergewöhnliche Dinge vollbringen können.“ Als er 27 Jahre alt war, begann er sein Jurastudium in Harvard, an Amerikas bester und vornehmster Universität.

Im Sommer 1991 graduierte er mit „magna cum laude“. Von 1993 bis 1996 arbeitete er als praktizierender Anwalt. 1994, im Alter von 33 Jahren, begann er darüber nachzudenken, ob er nicht in die Politik wechseln sollte. Zur selben Zeit schrieb er sein erstes Buch „Dreams from my father“, das sich glänzend verkaufte und von der Kritik bejubelt wurde. Es etablierte ihn als eine neue, ernst zu nehmende Stimme des schwarzen Amerikas. Günther gelingt es in diesem Kapitel sehr gut, den Lebensweg Barack Obamas, bis zu seinem Eintritt in die Politik, anschaulich zu beschreiben.

Barack Obama wird Senator von Illinois

Im Kapitel drei geht es um „Macht und Machenschaften“. Der Autor zeigt beispielhaft, wie geschickt der Barack Obama, Mitglied der Demokraten, mit allen juristischen Mitteln eine Mitbewerberin um das Amt eines Senators von Illinois ausstach und im Januar 1997 als neuer Senator aus Chicago eingeschworen wurde. Schon 15 Monate, nach seinem Entschluss in die Politik zu gehen, hatte er sein erstes Etappenziel erreicht. Mehr als 800 Gesetzeseingaben brachte er während dieser Zeit auf den Weg.

2004 gewann Obama mit 70 Prozent der Stimmen seinen Sitz im Senat, nachdem er die „Keynote Speech“ beim Nominierungsparteitag der Demokraten in Boston gehalten hatte, die ihm einen enormen Popularitätsaufschwung einbrachte. Schon ab Oktober 2006 sagte er, ja es stimmt, er denke über eine Kandidatur für das Präsidentenamt nach. Im Januar 2007 gab Obama seine Kandidatur für das weiße Haus offiziell bekannt.

Die Kampagne der Hoffnung


Das letzte Kapitel handelt von „Der Kampagne der Hoffnung“. Oprah Winfrey, eine der reichsten und einflussreichsten Amerikanerinnen entschloss sich schon wenige Wochen nach Beginn des Wahlkampfs, Barack Obama uneingeschränkt und unterstützen. Laut Markus Günther sein größter Gewinn. Anschließend geht der Autor auf die Ziele des Kandidaten in den einzelnen Politikfeldern ein. Außenpolitik, Gesundheit, Schule, Armutsbekämpfung, Umwelt und Energie sind die Themen, die Barack Obama abdeckt, um so den Vorwurf des Erfahrungsmangels zu entkräften.

Markus Günther ist davon überzeugt, dass der Präsidentschaftskandidat im Wahlkampf so auftreten muss, wie er ist, wenn er die Wahl gewinnen will. Auf der einen Seite als flammender Redner, der seine Zuhörer mitreißen kann und auf der anderen Seite als kühl kalkulierender Wahlkämpfer, der das Weiße Haus um beinahe jeden Preis erreichen will. Das Buch bietet für jeden Leser einen hervorragenden Einstieg in das Leben des Mannes, der sich anschickte, der erste farbige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden und es schließlich auch wurde.

Barack Obama
Amerikas neue Hoffnung
Markus Günther
Verlag: Wißner
Gebundene Ausgabe: 200 Seiten, Auflage 1: November 2007
ISBN: 978-3-89639-620-4, 16,80 Euro

Von Hans Klumbies