Das Konsumverhalten der Deutschen wird widersprüchlicher

Wirtschaftsgeograf Thomas David, Doktorand am Lehrstuhl für Humangeografie der Augsburger Universität hat einen neuen Kundentypus gründlich erforscht: „Der paradoxe Kunde hat eine multiple Persönlichkeit. Er kauft nach dem Sowohl-als-auch-Prinzip, das heißt, mal qualitativ hochwertige, mal preiswerte Produkte, mal eine Armbanduhr für 1.000 Euro beim inhabergeführten Juwelier, mal ein Fünferpack-Socken bei C&A für zehn Euro.“ Der widersprüchliche Kunde vereint verschiedene Konsummuster in einer Person, hält sich alle Optionen offen und wechselt zum Leidwesen der Händler häufig zwischen den Alternativen hin und her. Auch Markus Epple, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Markt und Standort in Erlangen, hat diesen neuen Kunden analysiert: „Er kauft sein Joghurt beim Discounter, seinen Käse vom Maître Affineur, macht Pauschalurlaub mit Tchibo und trägt Maßanzüge.“ Fachleute nennen das die Diversität der postmodernen Konsumgesellschaft.

Kein Konsument will mehr Mittelmaß sein

Thomas David erläutert: „Vor 40 Jahren teilten sich die Käufer in Mann und Frau, Jung und Alt und Reich und Arm. Das Vermarkten von Produkten war da einfach. Danach entwickelten sich Kundentypen wie der Qualitätskäufer, der Schnäppchenjäger und der Smartshopper.“ Der Qualitätskäufer vertraute auf Markenhersteller und suchte hochwertige Produkte; der Schnäppchenjäger musste sparen, und der Smartshopper informierte sich gründlich, ehe er dann versuchte, sein Geld intelligent auszugeben.

Heute gilt das nicht mehr. Heute prägt der Verbraucher mit seinem wechselhaften und unvorhersehbaren Kaufverhalten das Stadtbild. Außerdem vereinigt er sin sich ein Kaufverhalten, das früher der Ober- und der Unterschicht zuzuordnen war. Die Verschmelzung von beiden lässt der Mittelschicht dazwischen keinen Platz mehr. Thomas David erklärt: „Niemand will mehr Mittelmaß sein. Man konsumiert, was man sein möchte.“ Was die Menschen kaufen, ist oft logisch nicht zu erklären und auch nicht unbedingt gut für die Geldbörse, aber dann spart man halt wieder woanders.

Shoppen ist immer weniger eine Freizeitbeschäftigung

Markus Epple fügt hinzu: „Den Verbraucher kann man nicht mehr in Schubladen stecken.“ Der ausdifferenzierte Konsumstil bringt Geschäfte zusammen, die früher nicht zusammengepasst hätten. In der Innenstadt stehen dagegen Flächen leer. Das ist auch ein Resultat des Kaufverhaltens, obwohl der Bürger doch so gern seine kleine Buchhandlung und das inhabergeführte Fachgeschäft in der Nähe hätte. Der Trend weist allerdings auch in eine andere Richtung, der sich nach Ansicht von Experten in der Zukunft noch verstärken wird.

Denn es wächst eine Käuferschicht nach, die das Paradoxe auf die Spitze treibt. Christian Ziegfeld, Einzelhandelsexperte und Partner bei der Beratungsfirma OC&C in Hamburg, sagt: „Die jungen Leute sehen shoppen immer weniger als Freizeitbeschäftigung. Sie gehen selten in die Innenstadt, um dort einzukaufen, oder höchstens noch, um bei Apple oder im Modekaufhaus Breuninger vorbeizuschauen. Für viele erzeugt nur ein besonderes Einkaufserlebnis oder ein bestimmtes Gefühl Spaß beim Shoppen. Wenn das nicht geboten ist, kaufen sie oft online.“ Quelle: Süddeutsche Zeitung

Von Hans Klumbies