Für Gerechtigkeit in der Politik fehlt es an objektiven Maßstäben

Politiker, Journalisten und auch Gewerkschaftler kritisieren eine zunehmende Ungerechtigkeit in der Politik. Beginnt man über das Thema Gerechtigkeit nachzudenken, so erweist es sich recht schnell, dass ein Urteil über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit einer bestimmten Gestaltung, zum Beispiel der Einkommensgestaltung, einen Maßstab für die Beurteilung voraussetzt. Wird Arbeit mit der physikalischen Definition als das Produkt aus Weg und Kraft erfasst, so wird schnell deutlich, dass Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender von VW, nicht das Hundertfache eines durchschnittlichen VW-Mitarbeiters verdient haben kann. Auch wenn die Bemessung des Einkommens am Zeitaufwand erfolgt, kann der VW-Chef nicht Millionen verdienen. Selbst er wird kaum mehr als 100 Stunden pro Woche arbeiten. Laut Daniel Zimmer fehlt es aber vor allem an objektiven Maßstäben dafür, ob eine bestimmte Einkommensgestaltung gerecht oder ungerecht ist. Professor Dr. Daniel Zimmer ist Vorsitzender der Monopolkommission und Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn.

Die Höhe des Elterngeldes bewegt sich zwischen 300 und 1.800 Euro

Seit Anfang 2007 gibt es in Deutschland eine gesetzliche Regelung, nach der Eltern neugeborener Kinder bis zu 14 Monate lang ein Elterngeld beziehen können. Voraussetzung der Gewährung ist, dass der Bezieher oder die Bezieherin das Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Elterngeld wird in der Höhe von etwa 66 Prozent des in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens gezahlt. Der Höchstsatz beträgt 1.800 Euro pro Monat.

Daniel Zimmer stellt sich dabei die Frage, ob es gerecht ist, wenn junge Eltern, die sich um die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder kümmern, eine am letzten Einkommen orientierte Zuwendung von staatlichen Stellen erhalten. Daniel Zimmer erläutert: „Die Regelung zum Elterngeld wird von manchen als unsozial oder ungerecht angesehen, weil bessergestellte Eltern mehr Geld erhalten als andere.“ Der Mindestbetrag des Elterngeldes liegt bei 300 Euro. Eine Elterngeldberechnung des Höchstsatzes von 1.800 Euro gilt auch für Eltern, die vorher deutlich mehr verdient haben.

Arbeitslose Eltern müssen mit „Hartz IV“ auskommen

Natürlich kann die Verteilung des Elterngeldes als schreiende Ungerechtigkeit empfunden werden. Daniel Zimmer erläutert: „Wer als Bezieher eines hohen Einkommens für die Elternzeit hat vorsorgen können, bekommt 1.800 Euro Elterngeld, während arbeitslose Eltern mit „Hartz IV“ auskommen müssen.“ Andererseits bekommt ein Arbeitsloser, selbst wenn er noch keinen Euro Lohnsteuer gezahlt hat, im Sozialstaat eine monatliche Transferleistung. Erwirtschaftet wird dieses Geld von den Erwerbstätigen.

Auch beim Elterngeld fehlt es laut Daniel Zimmer an eindeutigen objektiven Maßstäben dafür, was gerecht und angemessen ist. Ein Elterngeld wie in Deutschland gibt es in zahlreichen nordeuropäischen Ländern wie Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. In Estland und Litauen wird Elterngeld zum Beispiel für einen kürzeren Zeitraum, ein Jahr beziehungsweise sechs Monate, sogar in voller Höhe des vorherigen Einkommens gewährt. Wobei allerdings umstritten ist, ob finanzielle Anreize bei dieser zentralen Frage der persönlichen Lebensplanung überhaupt eine nennenswerte Wirkung entfalten können.

Von Hans Klumbies