Der Einfluss der Interessen auf die Gesetzgebung ist sehr groß

Der idealisierten Auffassung, unabhängige Abgeordnete beschlössen frei und in vollem Wissen der Auswirkungen ihres Tuns Gesetze, kann die Praxis aus verschiedenen Gründen nicht immer gerecht werden. Häufig fehlt den Abgeordneten einfach die Zeit für ein umfassendes Studium der Gesetzesvorlagen. Daniel Zimmer nennt Zahlen: „In einer vierjährigen Legislaturperiode gehen den Abgeordneten mehr als 12.000 sogenannte Bundestag-Drucksachen zu, die Gesetzentwürfe mit Begründungen, Anträge von Fraktionen oder der Bundesregierung und weitere mehr oder weniger wichtige Dokumente enthalten.“ Der Umfang dieser Drucksachen reicht von einer Seite bis zu mehr als 3.000 Seiten eines Haushaltsplans. Wer dies in Rechnung stellt, wird schnell erkennen, dass eine sachliche Auseinandersetzung des Parlaments mit sämtlichen Gesetzesvorlagen ausgeschlossen ist. Professor Dr. Daniel Zimmer ist Vorsitzender der Monopolkommission und Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn.

Beamte richten ihr Handeln nicht immer am Gemeinwohl aus

Auch die Verlagerung eines Teils der gesetzesvorbereitenden Maßnahmen in spezialisierte Parlamentsausschüsse vermag das Problem allenfalls zu entschärfen, nicht aber auszuräumen. Daniel Zimmer erläutert: „Insbesondere bei wichtig erscheinenden Gesetzgebungsprojekten führen Bundestagsausschüsse Expertenanhörungen durch; mitunter erarbeiten sie Änderungsvorschläge.“ Diese Ausschussarbeit kann immerhin dazu führen, dass wenigsten einige der Parlamentarier, die später im Plenum ein Gesetz beschließen, sich mit Sachfragen beschäftigen.

Längst aber liegt laut Daniel Zimmer die Gesetzgebungsmacht anderswo. Im besseren Fall liegt sie bei der Beamtenschaft der Ministerien, die für die Regierung Gesetzentwürfe erarbeitet. Häufig ist in den Ministerien das Wissen von Experten vorhanden, das den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern abgeht. Damit ist allerdings das hehre Prinzip der Gewaltenteilung aufgehoben. Daniel Zimmer erklärt: „Die Exekutive schafft faktisch mehr und mehr selbst die Regeln, die sie später auszuführen hat. „ Dabei sollte man sich auch von der Illusion verabschieden, dass Beamte ihr Handeln stets am Gemeinwohl ausrichten würden.

Über 2.000 Interessenverbände beeinflussen die Regierung und das Parlament

Im schlechteren Fall ist die Ministerialbürokratie nicht mit Experten besetzt, die ihr die kompetente Vorbereitung eines Gesetzesvorhabens erlaubt. Daniel Zimmer ergänzt: „Diese Situation ist häufig bei technischen Materien sowie bei solchen Themen gegeben, die nicht das Interesse einer breiten Öffentlichkeit finden.“ Hier haben in der Vergangenheit die von der Regelung betroffenen Wirtschaftskreise bei der Gesetzgebung mitunter selbst mitgewirkt. Die zuständigen Ministerien haben die externe Hilfe in den meisten Fällen dankend angenommen.

Hilfe dieser Art ist einerseits von Unternehmen der betroffenen Branche geleistet worden, häufiger ist sie von Anwaltskanzleien erbracht worden, die auch für Firmen der jeweiligen Wirtschaftszweige tätig waren. Dass bei der interessengeleiteten Beratung und Beeinflussung von Regierung und Parlament erheblicher Aufwand getrieben wird, macht ein Blick auf die sogenannte Lobbyliste deutlich. Daniel Zimmer ergänzt: „Auf mehr als 680 Seiten listet dieses beim Präsidenten des Deutschen Bundestages geführte öffentliche Verzeichnis über 2.000 Interessenverbände auf, die sich selbst als solche haben registrieren lassen.“

Von Hans Klumbies