Ohne freien Willen gibt es keine Entscheidung

Bevor ein Mensch den Sinn seines Lebens wählt, sollte er sich vielleicht erst einmal fragen, ob er überhaupt einen freien und unabhängigen Willen hat, der ihm eine solche Wahl ermöglicht. Daniel Klein kennt kein bündigeres und wirkungsvolleres Argument, um an den freien Willen zu glauben als folgenden Ausspruch des amerikanischen Philosophen William James (1842 – 1910): „Mein erster Akt des freien Willens soll sein, an den freien Willen zu glauben.“ Zum geradlinigen Pragmatismus eines William James fühlt sich Daniel Klein seit jeher hingezogen. Sein Ziel ist es, die Philosophie relevant für das wirkliche Leben zu machen und die Frage nach dem freien Willen zu beantworten. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

Der freie Wille vermittelt das Gefühl des Menschseins

William James erkennt die Tatsache, dass es keine objektive und wissenschaftliche Möglichkeit gibt, die Existenz eines freien Willens zu beweisen. Man wird ihn nie zu Gesicht bekommen. Daniel Klein erklärt: „Deshalb ist es ein bisschen wie ein Glaubensakt, wenn man seine Existenz anerkennt; wir können selbst wählen, ob wir daran glauben wollen.“ Und darin liegt der kleine Gag von William James. Denn wenn man sich entscheidet, an irgendetwas zu glauben, ist das ein Willensakt; ohne einen Willen gibt es keine Entscheidung für oder gegen etwas.

Allein durch den Akt der Wahl erkennt William James die Idee des freien Willens an; und in diesem Fall ist es die Wahl, an einen freien Willen zu glauben. Das Pragmatische an der Entscheidung von William James liegt darin, dass sich der Glaube an den freien Wille intuitiv anfühlt. Er ist grundlegend dafür, was es überhaupt heißt, sich als Mensch zu fühlen; er trägt wesentlich dazu bei, dass man ein „Ich“ ist. Jedenfalls so lange, wie es ein Mensch es nicht nützlich oder trostreich findet, an unkontrollierte Kräfte zu glauben, die sein Handeln lenken.

Handlungen sollten sich am freien Willen orientieren

Daniel Klein fragt sich, wie sich das Verhalten einer Person ändern würde, wenn sie glaubt, dass jede ihrer Handlungen determiniert sei. Wie würde sie es anstellen, die Dinge fremdbestimmt geschehen zu lassen? Und wer genau würde diese Entscheidung treffen, dass die Dinge auf diese Weise passieren sollen? Das hört sich für Daniel Klein einfach nicht nach einem praktischen oder befriedigenden Weg an, durch den Tag zu kommen – und erst recht nicht durch ein ganzes Leben. Aber William James war kein blauäugiger Philosoph.

Sein pragmatisches Argument, die Menschen sollten so handeln, als ob der freie Wille existiere, stellte ihn nicht völlig zufrieden. Daniel Klein hingegen reicht es völlig aus. Bei einer Vorlesung nutzte William James ein Gedankenexperiment. Er fragt: „Was bedeutet die Aussage, dass meine Wahl, welchen Weg ich nach der Vorlesung nach Hause gehe, zweiseitig und eine Sache des Zufalls sei?“ Er verortet die beiden möglichen Straßen in zwei verschiedenen Universen. Dabei kam er zu folgendem Schluss: Jedes der zwei Universen nach vollendeter Tatsache und einmal vorhanden würde unseren Mitteln der Beobachtens und Verstehens genauso vernunftmäßig erscheinen wie das andere. Quelle: „Immer wenn ich den Sinn des Lebens gefunden habe, ist er schon wieder woanders“ von Daniel Klein

Von Hans Klumbies