Die Familie formt nachhaltig den Charakter des Kindes

Die Familie ist für Christopher Lasch der wichtigste Vermittler der Sozialisation. Die reproduziert im Individuum die kulturellen Muster einer Gesellschaft. Die Familie übermittelt nicht nur ethische Normen, indem sie das Kind mit den jeweils gültigen sozialen Regeln vertraut macht, sondern formt auch nachhaltig seinen Charakter, was dem Kind allerdings nicht bewusst wird. Christopher Lasch erklärt: „Die Familie vermittelt Denk- und Handlungsweisen, die zur Gewohnheit werden. Durch ihren enormen emotionalen Einfluss prägt sie alle folgenden Erfahrungen des Kindes.“ Christopher Lasch wurde 1932 in Ohama geboren. Der bekannte amerikanische Historiker und Sozialkritiker studierte in Harvard und Columbia und lehrte als Professor für Geschichte an der Universität von Rochester. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Das Zeitalter des Narzissmus“ und „Geborgenheit“. Christopher Lasch starb 1994 in Pittsburgh.

Die Eltern verkörpern für das Kind die erste Liebe und die erste Macht

Die Verbindung von Liebe und Disziplin in denselben Personen, Mutter und Vater, schafft laut Christopher Lasch eine emotional aufgeladene Atmosphäre, in der das Kind Dinge lernt, die es nie mehr vergessen wird. Manchmal kommt es vor, dass dies nicht unbedingt diejenigen sind, die seine Eltern im Sinn hatten. Das Kind entwickelt eine unbewusste Neigung, sich in bestimmter Weise zu verhalten und in seinem späteren Leben in seinen Begegnungen mit Partnern und Autoritätspersonen die frühen Erlebnisse zu wiederholen.

Christopher Lasch erläutert: „Die Eltern verkörpern als erste Liebe und Macht, und jede ihrer Handlungen vermittelt dem Kind, ganz unabhängig von ihren bewussten Absichten, jene Verbote und Zwänge, deren sich die Gesellschaft bedient, um Erfahrungen zu organisieren.“ Wenn die Reproduktion der Kultur nur eine Sache der formalen Erziehung und Disziplin wäre, könnte man sie laut Christopher Lasch den Schulen überlassen. Aber dies genügt nicht, da es außerdem erforderlich ist, dass die Kultur in die Persönlichkeit integriert wird.

Die Familie widersetzt sich von allen Organisationen am stärksten der Veränderung

Christopher Lasch vertritt die These, dass die Sozialisation im Individuum den Wunsch erweckt, das zu tun, was es tun muss, und die Familie ist dabei die Instanz, der die Gesellschaft diese umfangreiche und schwierige Aufgabe anvertraut. Für Christopher Lasch ist es die Familie, die sich von allen Institutionen am stärksten der Veränderung widersetzt. Kommt es allerdings zu Veränderungen in Umfang und Struktur, im emotionalen Bezugssystem und in den Beziehungen zur Außenwelt, so müssen diese einen gewaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit haben.

Wandlungen in der Struktur des Charakters wiederum begleiten und begründen Veränderungen im ökonomischen und politischen Leben. Christopher Lasch behauptet: „So finden die Entwicklung des Kapitalismus und die Entstehung des Staates ihren Widerhall im Wesenskern des einzelnen.“ So empfand beispielsweise das bürgerliche Denken Kinder als Unterpfand der Zukunft und widmete ihrer Erziehung eine bisher nicht gekannte Aufmerksamkeit. Der neue Stil des häuslichen Lebens schuf psychologisch günstige Bedingungen für das Entstehen des neuen Typs einer innengeleiteten, autonomen Persönlichkeit.

Von Hans Klumbies