Die revolutionäre Zornlosigkeit ist eine unmittelbare Aufgabe

Die revolutionäre Zornlosigkeit Mahatma Gandhis und Martin Luther Kings bildet keine ferne Hoffnung, sondern sie versteht sich als unmittelbare Aufgabe, der man sich in der Auseinandersetzung mit der Ungerechtigkeit hier und jetzt annehmen soll. Martha Nussbaum ergänzt: „Sie umfasst eine Reihe psychologischer und verhaltensbezogener Praktiken, die von den Mitgliedern der Bewegung nicht nur angenommen, sondern auch tief verinnerlicht werden müssen.“ Weil es sich dabei jedoch um keine individuelle Psychotherapie handelt, sondern vielmehr um eine Form der Massenkultivierung, muss sie mit einer expliziten Theorie einhergehen, damit jede der Bewegung zugehörende Person deren Ziel kennen und neue Anhänger in Haltungen und Praktiken einweisen kann. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Gottlob Frege hat die Logik revolutioniert

Informationen im modernen Sinn des Wortes, der in die wissenschaftliche Disziplin der Informatik und damit ins digitale Zeitalter führt, entsprechend dem, was man in der Philosophie seit Gottlob Frege als den Sinn von Gedanken versteht. Markus Gabriel ergänzt: „Die Informatik baut auf den Errungenschaften der modernen Logik und Mathematik auf, wozu insbesondere Freges Arbeiten zur Grundlegung der modernen Logik gehören.“ Ohne Gottlob Frege und an ihn anknüpfende Denker, wie insbesondere Bertrand Russell (1872 – 1970) und Alfred North Whitehead (1861 – 1947), wäre es niemals zur digitalen Revolution gekommen. Denn sie haben die Logik dadurch revolutioniert, dass sie Denken als die Verarbeitung von wirklich existierenden Informationen begriffen haben. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Freundschaft ist das höchste Vergnügen des Lebens

Eine eindrucksvolle Reihe von Philosophen – von den Hedonisten bis zu den Transzendentalisten – hat die Freundschaft als höchstes Vergnügen des menschlichen Lebens bewertet. Daniel Klein fügt hinzu: „Nicht den Sex, nicht irgendwelche Extremsportarten, ja nicht einmal das Aufsteigen einer originellen philosophischen Erkenntnis: einfach nur, einen sehr guten Freund zu haben.“ Epikur und Aristoteles dachten so, aber auch Michel de Montaigne und Francis Bacon, George Santayana und William James. Wenn man bedenkt, dass Philosophieren eine der introvertiertesten Beschäftigungen ist, die man sich überhaupt vorstellen kann, ist es schon faszinierend, dass alle diese Leute es so sehr schätzen, einen Gefährten zu haben. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Politik und Recht sind immer schon moralisch

Bei der Moral geht es nicht nur um Leben und Tod, um Freiheit oder Gerechtigkeit, sondern auch um Urteile über Ernährung, Kleidung, Sex oder Drogen. Philipp Hübl stellt fest: „Moral gibt Antworten auf die Frage, was wir für richtig halten und was wir tun sollten. Darum sind Politik und Recht immer schon moralisch, weil sie auf Werten und Normen beruhen.“ Emotionen bringen einen Menschen dazu, so oder so zu handeln, aber sie nötigen oder determinieren ihn nicht. Viele Faktoren bestimmen das persönliche Handeln: Erziehung, erlernte Routinen, vernünftige Überlegungen und Grundbedürfnisse wie Hunger und Schlaf. Genauso finden sich zahllose Graustufen zwischen „Gut“ und „Böse“. Dennoch hegen viele Menschen den Wunsch nach moralischer Eindeutigkeit. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Weniger Besitz erleichtert das Leben

Als Minimalist ist sich Fumio Sasaki jedes einzelnen Gegenstands bewusst, den er besitzt. Und da jedes Ding seinen Platz hat, sucht er nie nach verloren gegangenen Dingen. Ist man sich all seines Besitzes bewusst, weiß man nicht nur, wo sich die Dinge befinden, sondern auch, ob man sie überhaupt besitzt. Fumio Sasaki fügt hinzu: „Gebrauchsanleitungen, Garantiekarten, Unterlagen scanne ich sofort – oder werfe sie unbesehen weg. Ich muss also nie Papierstapel durchsuchen.“ Wer weniger hat, verliert auch weniger. Und da man als Minimalist mit weniger Sachen aus dem Haus geht, vergisst man auch seltener etwas. Man muss also seltener wieder zurücklaufen und einen liegengelassenen Gegenstand holen. Fumio Sasaki
arbeitete als Cheflektor des japanischen Verlages Wani Books, bevor er freier Autor wurde.

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Seneca rät zur geistigen Vorwegnahme schlechter Ereignisse

Seneca rät: „Wer im Voraus den Blick auf zukünftige Übel gerichtet hat, der bricht ihre Kraft, wenn sie sich einstellen.“ Dies ist eine sehr wirksame Empfehlung im Umgang mit dem Schicksal, auf die Seneca immer wieder hinweist, ist die innere Vorbereitung auf ein mögliches Scheitern einer Unternehmung, auf mögliche Widerstände und Schwierigkeiten, auf ungünstige Abläufe von Geschehen, auf Missgeschicke. Albert Kitzler erklärt: „Die römischen Stoiker nannten es „praemeditatio malorum“, die geistige Vorwegnahme schlechter Ereignisse. Von dem lateinischen Wort „meditari“ (nachdenken, bedenken, sich vorbereiten) leitet sich das deutsche Wort Meditation her. Bei der „praemeditatio malorum“ geht es also um ein Vorausdenken von äußeren Abläufen von Geschehnissen, die den eigenen Absichten und Zielen entgegenstehen oder sie vereiteln können. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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ZEN löst negative Gedankenmuster auf

Im Hier und Jetzt nichts zu bewerten, kann man vielleicht als Kernaufforderung des ZEN verstehen. Klaus Biedermann erläutert: „Unsere großen Seuchen – Depression und Angst – haben damit zu tun, dass die Betroffenen nicht in der Gegenwart leben. Der Depressive ärgert sich über Dinge, die waren, der Angstvolle macht sich Gedanken über das, was noch kommt und wahrscheinlich nie eintreffen wird.“ Der einzige Moment aber, in dem man glücklich sein kann, ist jetzt. Zu viel zu denken, macht unglücklich. Besonders gefällt Klaus Biedermann am ZEN, dass Komik und Erleuchtung hier nahe beieinander liegen dürfen. Arthur Schopenhauer sagte einmal, jedes Lachen sei eine kleine Erleuchtung. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

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Jean-Jacques Rousseau misstraut der Aufklärung

Die Rebellion gegen eine alles zermalmende Moderne ist kein Phänomen der Gegenwart. Sie hat ihre Wurzeln in der Zeit der Aufklärung und beginnt mit einem erbitterten Streit zwischen zwei brüderlichen Freunden, Jean-Jacques Rousseau und Denis Diderot. Philipp Blom weiß: „Persönliche und intellektuelle Fragen vermischen sich in diesem jahrelangen Disput, aber sie brachten Rousseau dazu, den aufgeklärten Idealen seiner Freunde zu misstrauen.“ Die Zivilisation, die Großstadt und die Unterdrückung aller Menschen gehören zusammen, räsonierte er, die Aufklärung befreit nicht, sondern entfernt die Gesellschaft mit ihrer kultivierten Kompliziertheit immer weiter von ihrer ursprünglichen Tugend und versklavt sie gleichzeitig durch Mode, gesellschaftliche Anerkennung und Lohnarbeit. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Eigenständiges Denken ging Søren Kierkegaard über alles

Individualität muss nicht Isolation bedeuten, aber sie kann – freiwillig oder unfreiwillig – leicht dazu führen. Søren Kierkegaard (1813 – 1855) hatte sich in seinen Tagebüchern die beiden Worte „Jener Einzelne“ als Grabinschrift gewünscht, um zu betonen, dass er der Erkenntnis treu geblieben war, dass nur die individuelle Stellungnahme dem Leben einen Sinn zu geben vermag. Man trifft hier auf den Kern eines Denkers, der in gegensätzliche Weltanschauungen glaubhaft hineinzuschlüpfen vermochte. Ludger Pfeil ergänzt: „Dieser „Einzelne“ war durchaus kein Einzelgänger, denn bei seinem täglichen Flanieren durch die Straßen Kopenhagens traf er auf Zufallsbegegnungen aus allen Ständen, mit denen er gerne untergehakt ein Stück des Weges gemeinsam plaudernd und philosophierend zurücklegte.“ Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Müßiggang darf nicht mit Unproduktivität verwechselt werden

Selbst ein kultiviertes Nichtstun steht heutzutage tief im Kurs, dabei hat es, dosiert, enorme Kraft und war sogar ein Gegenstand von Weisheitslehren. Frank Berzbach weiß: „Das Nichtstun als gelingende Genügsamkeit ist nicht mit der Trägheit zu verwechseln, der Müßiggänger ist nicht immer ein Taugenichts.“ Es ist gut und zeugt von hoher Kultur, zu schweigen; es kann gut sein, abzuwarten, wegzubleiben, sich zurückzuziehen und kein „Massenmensch“, wie Edgar Allan Poe ihn nannte, zu werden. Frank Berzbach kenne einen ruhigen Philosophen, der seinen Unterrichtsverpflichtungen nachkommt, der in mehreren Sprachen und tiefem Verständnis liest, dabei am liebsten allein ist, dessen Leben nach allen Verpflichtungen aus Spaziergängen durch die Schweizer Natur besteht. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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Eine Kultur lässt sich nicht planen

Terry Eagleton stellt fest: „Wenige Denker dürften den Eindruck vermitteln, der romantischen Volkskultur ferner zu stehen als der so aristokratisch wirkende T. S. Eliot.“ Für ihn bedeutet das Wort „Kultur“ in erster Linie das sozial Unbewusste. Es bezeichnet „die Gesamtform, in der ein Volk lebt – von der Geburt bis zum Grabe, vom Morgen bis in die Nacht und selbst im Schlaf“, doch handelt es sich um eine Lebensweise, deren sich die Menschen nie ganz bewusst sein können. Eine Kultur, fährt T. S. Eliot fort, „kann nie völlig eine Sache des Bewusstseins werden – unser bewusstes Leben erschöpft sich nicht; und sie lässt sich nicht planen, weil sie ja auch der unbewusste Untergrund all unseres Planens ist“. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Viele Menschen lehnen die Freiheit als Zumutung ab

Das Wünschenswerte im Leben kommt zugleich mit etwas Unerwünschtem daher, die helle Seite ist ohne die dunkle nicht zu haben. So ist es auch mit der Freiheit. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Der Stolz auf sie ist nicht zu entbinden von der Angst vor ihr. Denn die Freiheit, entscheiden zu können, beinhaltet auch den Zwang, entscheiden zu müssen. Und damit steigt das Risiko für den Einzelnen, falsch zu entscheiden, von dem selbst gewählten Weg überfordert zu sein, gar zu scheitern.“ Und da die meisten Menschen dazu neigen, das Risiko zu überschätzen und die Chancen zu unterschätzen, ist die Neigung groß, Freiheit als Zumutung abzulehnen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Das Philosophie Magazin analysiert das sensible Selbst

Das neue Philosophie Magazin 06/2019 hat eine Metamorphose durchlaufen. Die drei großen neuen Rubriken heißen Arena – Leben – Klassiker. Die Rubrik Arena ist ab jetzt der Raum für Streit und Diskurs. Thea Dorn, eine der führenden Intellektuellen Deutschlands, wird fortan ihre Kolumne „Dorn denkt“ für die Arena schreiben. Zeit für existenzielle Fragen nimmt sich das Philosophie Magazin in der Rubrik Leben. In seiner Kolumne „Unter uns“ legt der Philosoph Wolfram Eilenberger den wahren Kern wohlvertrauter Phänomene frei. In der Rubrik Klassiker werden die Iden großer Denkerinnen und Denker vorgestellt. Unter anderem erklärt die Philosophin Kerstin Decker in ihrem Essay, was es mit dem sokratischen Eros auf sich hat. Am wichtigsten aber war und bleibt das Titelthema, dem das Philosophie Magazin in ganzes Dossier widmet. In dieser Ausgabe geht es um das sensible Selbst und um die Frage, ob die Menschen zu empfindlich geworden sind.

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Der Süchtige pendelt zwischen Himmel und Hölle

Die Begriffe Himmel und vor allem Hölle werden außerhalb des Religiösen kaum irgendwo so häufig gebraucht wie im Zusammenhang mit Sucht. Reinhard Haller nennt Beispiele: „Drogen als Himmelsgabe, göttliches Elixier oder Angels Dust auf der einen und Heroinhölle, Drogenhölle, Spielhölle, Hölle des Entzugs, sogar Hölle als Kombination dieser Vorstellungen auf der anderen Seite.“ Rausch und Sucht sind ein Modell des Zusammenspiels, ja der Zusammengehörigkeit von elysischem Glück und quälendem Siechsein, aber auch für die Limitierung dieser beiden Pole durch den jeweils anderen. Die Sucht und ihre Qualen scheinen am besten geeignet zu sein, ein zeitgemäßes greifbares Bild dessen liefern zu können, wie man sich heute die Hölle und ihre Qualen konkret vorstellen kann. Reinhard Haller ist Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik mit dem Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen.

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Sokrates begründet die Philosophie mit ihrer Strenge im Diskurs

Das Lebensmotto von Nassim Nicholas Taleb lautet: Mathematiker denken in präzise definierten und abgebildeten Objekten und Beziehungen, Juristen und Rechtsgelehrte denken in Konstrukten, Logiker in hoch abstrakten Operationen und Narren in Wörtern. Zwei Menschen können dasselbe Wort benutzen, damit unterschiedliche Dinge meinen und trotzdem ihre Konversation fortsetzen, was ganz nett ist, wenn man miteinander Kaffee trinkt, aber nicht, wenn es darum geht, Entscheidungen zu fällen, vor allem, wenn es sich dabei um Grundsatzentscheidungen handelt, von denen andere betroffen sind. Aber es ist kein Problem, diesen Missstand zu beheben, wie es ja schon Sokrates getan hat. Man fragt sie einfach, was sie glauben zu meinen mit dem, was sie gesagt haben. Nassim Nicholas Taleb ist Finanzmathematiker, philosophischer Essayist, Forscher in den Bereichen Risiko und Zufall sowie einer der unkonventionellsten Denker der Gegenwart.

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Carol Gilligan reklamiert eine eigene weibliche Auffassung der Moral

Carol Gilligan, die in Harvard als Psychologie-Professorin lehrte, erhebt gegen die ihrer Ansicht nach männlich geprägte individualistische und rationale Moral der Gerechtigkeit „Die andere Stimme“ eines solidarischen, gemeinschaftsorientierten Entwurf einer Moral, der aus Beziehungen und Kontexten erwachsende Pflichtgefühl in den Mittelpunkt stellt. Ludger Pfeil erklärt: „Gilligan fand in ihren Untersuchungen zur Moralpsychologie heraus, dass Frauen moralische Konflikte lösen, indem sie auf bestimmte Tugenden wie Rücksichtnahme und Hilfeleistung Bezug nehmen, während sich Männer eher an Gerechtigkeitsidealen orientieren und eine damit verbundene abstraktere Perspektive einnehmen.“ Rollen- und kontextbezogene Informationen wie persönliche Bindungen sind für Frauen wichtiger, um eine Entscheidung zu treffen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Die schönen Künste haben sich im 18. Jahrhundert entwickelt

Kunst und Wissenschaft haben zumindest eines gemeinsam: Sie werden gerne in einem Atemzug genannt. Seit wann und warum treten Wissenschaften und Künste gemeinsam auf? Man könnte die Geschichte der Künste und Wissenschaften seit dem Mittelalter auch mit folgenden Paradoxien beschreiben: Als die Wissenschaften noch Künste waren, gab es keine Kunst. Als die Künste entstanden, waren sie Wissenschaften. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Und als sich endlich die Wissenschaften als Wissenschaften und die Künste als Künste begriffen, nährte dies nur den Verdacht oder auch den Wunsch, dass die Wissenschaften eigentlich Künste und de Künste letztlich doch Wissenschaften seien.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Die ersten Schritte zur Bildung sind sehr schwer

Sokrates lässt keinen Zweifel daran, dass die ersten Bildungsschritte schwer und mühsam sind: Wer die virtuellen Schattenkonsumenten dazu bringen will, ihre liebgewonnenen Denkgewohnheiten und trivialen Beschäftigungen als Illusionen zu entlarven, mittels derer sie sich unterhalten, dabei aber jedem wahren Leben fernhalten, muss mit heftigem Widerstand rechnen. Christoph Quarch schreibt: „Das hatte Sokrates schmerzvoll erfahren. Denn in vielen von Platons frühen Dialogen erleben wir ihn genau in der Funktion, die er im Höhlengleichnis beschreibt: Er versucht denen, die in Meinungen, Konventionen, Denkmustern und Glaubenssätzen erstarrt sind, die geistigen Fesseln abzunehmen und ihnen klar zu machen, dass sie ihre Sicht der Dinge fälschlich für die ganze Wahrheit halten.“ Der Philosoph, Theologe und Religionswissenschaftler Christoph Quarch arbeitet freiberuflich als Autor, Vortragender und Berater.

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Viele Menschen fürchten den Verlust ihrer Werte

Dass eine Gesellschaft Werte braucht, darüber besteht zu Recht Einigkeit. Toleranz ist beispielsweise ein feiner Wert, aber nicht durch und durch. Pluralismus ist wünschenswert, aber vielleicht nicht immer und in allem. Freiheit ist gut, aber nur gepaart mit sozialer Sicherheit. Das Fremde ist anregend und bereichernd, verunsichert aber trotzdem leicht. Die Angst vor dem Verlust von Werten ist ein großes und wichtiges Thema. Richard David Precht warnt: „Denn aus dieser Sicht ist das krakeelende Unbehagen in der Kultur, das sich AfD nennt, nur eines: ein Vorbeben, dem viele größere Erschütterungen folgen werden.“ Der Islam zum Beispiel kennt den Angriff des global-liberalen Kapitalismus auf seine kulturelle Identität schon seit vielen Jahrzehnten. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Regionale Einheiten haben das Bild der deutschen Kultur geprägt

Es gibt Menschen, die ihre spezifische Skepsis gegenüber einer „deutschen Kultur“ nicht einfach nur behaupten, sondern bereit sind, diese zu begründen. Das erste Argument, das in diesem Zusammenhang regelmäßig angeführt wird, lautet: Deutschland ist so hochgradig regional geprägt, dass sich nicht sinnvoll von einer gemeinsamen „deutschen Kultur“ reden lässt, sondern allenfalls von einer „bayerischen“ einer „rheinischen“, einer „westfälischen“, einer „sächsischen“ usw. Thea Dorn schreibt: „Auf den ersten Blick hat das Argument, die deutsche Kultur erschöpfe sich in Regionalkulturen, einiges für sich. Wie der Philosoph und Soziologe Helmuth Plessner es so schön auf den Begriff brachte, handelt es sich bei Deutschland um eine „verspätete Nation“, sprich: Bis 1871 war Deutschland ein bunter – manche sagen: grotesker – Flickenteppich aus Königreichen, Großherzog-, Herzog-, und Fürstentümern; ein Kurfürstentum, eine Landgrafschaft und ein paar freie Städte kamen noch hinzu.“ Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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In einer Demokratie können Teile der Eliten ausgetauscht werden

Es gehört mittlerweile zum guten Ton, angesichts von Brexit, Donald Trump, Marine Le Pen, der Krise der Europäischen Union (EU) und dem Aufstieg autoritärer Bewegungen vom Versagen der politischen, aber auch der intellektuellen Eliten zu sprechen. Nun, diese Rede ist aus mehreren Gründen verräterisch. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Auf wesentliche Teile der etablierten Eliten trifft sie nämlich gar nicht zu, diese sympathisieren ohnehin mit dem Brexit oder sitzen nun in Donald Trumps Regierung.“ Auch ist es ein wenig seltsam, gleich von einem Versagen der Eliten zu sprechen, wenn Wahlergebnisse nicht den eigenen politischen Präferenzen entsprechen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Der Drang nach Erkenntnis ist nicht unchristlich

Der um 1200 geborene Albertus Magnus war mit Anfang 20 in den Bettelorden der Dominikaner eingetreten und schon früh in Lehrämter berufen worden. Zuletzt hatte er als Magister einen der beiden Dominikaner-Lehrstühle an der Universität Paris innegehabt. Hartmut Sommer ergänzt: „Nach Köln ging er um 1248, um dort im Auftrag des Ordens ein Generalstudium, also … Weiterlesen

Die Moral ist ursprünglich weder friedlich noch angenehm

Moral ist, was bei der Normativität des Alltags herauskommt: ein mehr oder weniger buntes System von „Werten“, Anforderungen, Zumutungen und Beurteilungen. Thomas Fischer ergänzt: „Moral entspringt, soweit man das beurteilen kann, nicht einer „Seele“ des Menschen, sondern seinem wirklichen Leben.“ Sie spiegelt es wider und ändert sich mit ihm; ist daher auch weder zufällig noch inhaltlich vorbestimmt, wenn man von wenigen Grundstrukturen absieht, welche die gemeinsame Existenz betreffen und daher zumindest außerordentlich nah bei der „Natur“ angesiedelt sind: Fürsorge, Mitleid, Zuneigung, Rache. Aus der Sicht des Strafrechts sind das Bedürfnis und die Fähigkeit zum Motiv der Rache besonders wichtig. Moral ist keineswegs im Ursprung oder ihrer Natur nach konstruktiv, friedlich oder angenehm. Thomas Fischer war bis 2017 Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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Im Menschen die Menschheit zu lieben ist nicht leicht

Die Menschen, so heißt es bei Jean Paul, „soll keiner belachen als einer, der sie recht herzlich liebt.“ Die Wahrheit dieser ironischen Einsicht liegt darin, dass sie auch für die ernste Beschäftigung mit dem Menschen gilt: Zumindest in einer philosophischen Betrachtung kommt man nicht umhin, den Menschen, wenn nicht zu lieben, dann doch wenigstens zu schätzen – gerade auch dann, wenn man ihn verstehen, ihm raten und auch verzeihen will. Volker Gerhardt nennt den Grund: „Man erkennt und beurteilt keinen Menschen unabhängig davon, wie man sich selbst versteht. Also kann das, was über den Menschen im Allgemeinen zu sagen ist, nicht unabhängig von dem sein, was man im Besonderen von sich selbst als Mensch zu wissen glaubt.“ Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Die Polarisierung von Konsum und Arbeit ist nicht mehr angemessen

Lange Zeit wurde Konsum mit Verschwendung, Müßiggang und Passivität assoziiert und als das Gegenteil von Arbeit angesehen. Wolfgang Ullrich erläutert: „Es galt: Konsumiert werden kann nur, was zuvor produziert wurde, und allein deshalb ist unproduktiv, wer konsumiert.“ Konsum zerstört sogar, was durch Arbeit hergestellt wurde. In der gegenwärtigen Wohlstandsgesellschaft – so Wolfgang Ullrichs These – ist diese Polarisierung von Konsum und Arbeit nicht mehr angemessen. Vielmehr wird Konsum sogar als Arbeit erfahren und Arbeit gerade auch beim Konsumieren geleistet. Die Schrift „Theorie der feinen Leute“ von Thorstein Veblen ist aus dem Gegensatz zwischen Müßiggang und Verschwendung einerseits und produktiver Arbeit andererseits entwickelt. Prof. Dr. Wolfgang Ullrich war bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Seither arbeitet er als freier Autor, Dozent und Berater.

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