Kulturen können schnell untergehen

Die neolithische Revolution ist, genau betrachtet, ein bis heute andauernder Prozess. Joachim Bauer stellt fest: „Die durch den Menschen vollzogene Unterwerfung der Natur war ein Abenteuer ohnegleichen. Dieses Abenteuer bot und bietet der Menschheit bis heute gewaltige Chancen der technischen und kulturellen Entfaltung.“ Es war und ist zugleich aber mit erheblichen Risiken verbunden, den Untergang eingeschlossen. Die Risiken können den inneren Zustand einer Zivilisation betreffen, insbesondere soziale Verwerfungen und nicht mehr steuerbare innergesellschaftliche Konflikte. Vor allem zum Untergang von Kulturen beigetragen haben aber durch zivilisatorische Aktivitäten verursachte ökologische Krisen. Schwere ökologische Krisen sind dabei keine vorübergehende Erscheinung, die sich durch Abwarten überstehen lassen. Sondern sie können das Ende einer Kultur bedeuten, und dies in überraschend kurzer Zeit. Joachim Bauer ist Arzt, Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Bestsellerautor von Sachbüchern.

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Florenz entwickelte sich ökonomisch erst spät

Ökonomisch und politisch war die Kommune Florenz im Vergleich mit Trendsettern wie Pisa oder Siena eine Spätentwicklerin. Volker Reinhardt erklärt: „In Sachen Großhandel, Textilproduktion, Bankwesen und Territoriumsbildung schloss Florenz erst während der Bauzeit von Santa Maria Novella zu Pisa, der großen Rivalin im Westen, auf.“ Danach zog es uneinholbar an ihr vorbei. Vorher kam es zu einem blutigen Streit zwischen dem älteren Florentiner Stadtadel und den großen Unternehmern, die den aristokratischen Vorgängern am Ende des 13. Jahrhunderts die Macht abrangen. Allerdings florierte der Handel mit Luxustextilien ab den 1330er Jahren nicht mehr wie vorher. Zum einen verlangten jetzt immer mehr Mächtige auf dem weiten Weg der Wolle von England nach Flandern und Italien ihren Anteil am Gewinn. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Helmut Walser Smith blickt auf den Bauernkrieg zurück

Der Bauernkrieg, der größte Aufstand in der europäischen Geschichte vor der Französischen Revolution, begann mit Revolten der Landbevölkerung im Südschwarzwald und im Bodenseeraum. Er breitete sich bis ins Allgäu und an den Oberrhein aus. Helmut Walser Smith weiß: „Schon bald nahm dieser Krieg sowohl religiösen als auch politischen Charakter an.“ Mit der Ausweitung der Aufstandsbewegung auf die Pfalz und Thüringen sowie Richtung Süden bis nach Tirol fand sie immer mehr Unterstützung, vor allem bei den Armen in den Städten. Anfang April 1525 waren nach Schätzungen heutiger Historiker nicht weniger als 300.000 Menschen bereit, gegen ihre Unterdrücker zu den Waffen zu greifen. Doch die Bauern waren den gut bewaffneten, kampferprobten Soldaten nicht gewachsen. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

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Menschen lernen Vertrautes

Es ist wahrscheinlich, dass die natürliche Selektion diejenigen Gene weiterverbreitete, die für das Erlernen überlebenswichtiger Fähigkeiten, für Nahrungsbeschaffung und Fortpflanzung entscheidend waren. Der Sozialbiologe Edward O. Wilson schreibt: „Ein bestimmter Genotyp macht ein gewisses Verhalten wahrscheinlicher, sodass es sich wiederum in der Population weiterverbreitet, bis sich das Verhalten schließlich durchsetzt.“ Anders gesagt: Menschen lernen, was ihnen vertraut ist, doch manche Dinge lernen sie schneller und einfacher als andere. Lucy F. Jones erklärt: „Und diese Dinge lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den natürlichen Lebensraum zurückführen, in dem der Homo sapiens den mit Abstand größten Teil seiner Entwicklungsgeschichte verbracht hat.“ Lucy F. Jones ist Journalistin. Sie schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

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In Bologna entwickelte sich eine Hohe Schule

Der Begriff „Universitas“ bezeichnete im Italien des 11. Jahrhunderts die Gesamtheit der Stadtgemeinde. Er konnte sich aber auch auf einzelne Korporationen beziehen. Volker Reinhardt fügt hinzu: „Als sich in Bologna um diese Zeit eine Hohe Schule eines neuen Typs entwickelte, bildete auch sie mit ihren Mitgliedern eine Universitas.“ Wie alle diese Ganzheiten bedurfte sie jedoch einer Präzisierung. Diese hat sie bis heute in Italien beibehalten: Universitas studiorum, italienisch università degli studi. Was die neue Gemeinschaft im Innersten zusammenhielt, waren also die Studien. Studieren konnte man in Bologna wie in Italien jedoch schon lange vorher. Zum Beispiel in den größeren Städten an Kathedralschulen, wo die Auslegung der Heiligen Schrift im Vordergrund stand. Volker Reinhardt it Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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James Suzman kennt die Geschichte des Lebens

Die lange Geschichte des Lebens auf der Erde beruht nach heutiger Auffassung auf der Fähigkeit des Lebens, Energie aus fortschreitend neuen Quellen zu gewinnen. James Suzman erläutert: „Zuerst aus der Wärme des Erdmantels, dann aus dem Sonnenlicht, dann aus Sauerstoff und schließlich auch aus dem Fleisch anderer Lebewesen.“ Parallel dazu entwickelten sich zunehmend komplexere, energiehungrigere und mehr Arbeit im physikalischen Sinn leistende Lebensformen. Die ersten Lebewesen auf dem Planeten Erde waren mit großer Sicherheit einfache einzellige Organismen. Diese besaßen, wie die Bakterien, weder einen Zellkern noch Mitochondrien. Sie „ernährten“ sich wahrscheinlich von der durch biochemische Reaktionen zwischen Wasser und Gestein freigesetzten Energie. Dabei lernten sie diese Energie auf ein hochspezialisiertes Molekül zu übertragen. James Suzman ist Direktor des anthropologischen Thinktanks Anthropos und Fellow am Robinson Collage der Cambridge University.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Im Jahr 1450 erfindet Johannes Gutenberg den Buchdruck und löst damit eine Revolution der schriftlichen Kommunikation aus. Diese kommt an Wirkmächtigkeit dem durch das Internet und die elektronischen Medien ausgelösten Umbruch gleich. Im Jahr 1453 läutet die Eroberung Konstantinopels durch das türkische Heer das Ende des oströmisch-byzantinischen Reiches ein. Dies führt zu einer Neuorientierung Europas in Richtung Westen. Jürgen Wertheimer ergänzt: „1492: Kolumbus entdeckt Amerika und löst damit einen Prozess aus, der die globalen Machtverhältnisse dauerhaft verändern wird. Europa übernimmt in der Folgezeit das Kommando über die Welt.“ „Kein Reich, keine Religion, kein Stern hatte größeren Einfluss auf die menschlichen Angelegenheiten als Buchdruck, Schießpulver und Kompass“, jubelte Francis Bacon 1620 in seinem „Novum Organum“. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Peter Burke analysiert das Wissen des Hochmittealters

Der Gelehrte Bernhard von Chartres, der im 12. Jahrhundert lebte, soll gesagt haben, der und seine Kollegen seinen „wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen“. Damit meinte er die Griechen und Römer der Antike. Peter Burke erklärt: „Im Frühmittelalter hatte die Herausforderung für die Gelehrten darin bestanden, die noch vorhandenen Reste der klassischen Tradition zu retten und zu bewahren.“ Im späten Mittelalter ging es dann darum, nicht nur das verlorengegangene antike griechische Wissen wiederzuentdecken und sich anzueignen. Sondern man musste sich auch mit dem neuen Wissen befassen, dass in der islamischen Welt produziert wurde. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Justinian kodifiziert das römische Recht

Der oströmische Kaiser Justinian hat das römische Recht in der Mitte des 6. Jahrhunderts kodifiziert. Er stärkte durch seine Vereinheitlichung und Rationalisierung die Position der Herrscher und der weltlichen Herrschaft gegenüber der Kirche. Denn unter Justinian war die Kirche ein Teil der kaiserlichen Verwaltung und das Papsttum in Rom noch kein ernst zu nehmender Faktor gewesen. Volker Reinhardt erläutert: „So spielte die Wiederentdeckung und Wiedererschließung des römischen Rechts im Mittelalter den Machthabern in die Hände, die sich von der päpstlichen Oberhoheit mit ihren Bannsprüchen, der Exkommunikation und dem Interdikt, zu befreien suchten.“ Die Wiederbelegung des römischen Rechts in Bologna fügte sich nahtlos in eine gesamtitalienische Entwicklung des 12. Jahrhunderts ein. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Das Drama war ein Produkt der Stadtstaaten

Die Männer, die aus dem Trojanischen Krieg zurückkamen, waren Verändernde und Veränderte. Von den Erfahrungen auf dem Schlachtfeld gezeichnet, passten sie nicht mehr ins soziale Gefüge der Orte, von denen sie ausgezogen waren. Und doch blieben sie im Gedächtnis derer Leitfiguren. Jürgen Wertheimer stellt fest: „Mit der Erfindung des Dramas findet im 5. Jahrhundert vor unserer Zeit ein entscheidender Medienwechsel statt.“ Natürlich gab es Rituale und kultische Vorführungen schon früher und an anderen Orten. Aber es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass das Drama ein Produkt der noch jungen Stadtstaaten war. Es diente als zentrale öffentliche Form der kulturellen Selbstdarstellung. Unterhalb des Burghügels der Akropolis, kann man seine Reste noch heute besichtigen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Kulturen befruchten sich gegenseitig

Milet war eine der reichsten und blühendsten Städte des 6. Jahrhunderts v. Chr., aber sicherlich nicht die einzige. Carlo Rovelli fügt hinzu: „Milet war ein griechischer Außenposten, der den Königreichen des Nahen Ostens am nächsten lag.“ Die Stadt unterhielt enge Verbindungen zu dem prosperierenden Königreich Lydien, das unter anderem eine sehr fortschrittliche Finanzpolitik betrieb. Milet trieb Handel mit der mesopotamischen Welt und besaß einen Handelshafen in Ägypten sowie Kolonien vom Schwarzen Meer bis Marseille. Mit anderen Worten: Milet war die griechische Stadt mit den meisten Verbindungen zum Rest der Welt. Daher wurde die Stadt von den antiken Reichen und ihre Jahrtausende alten Kulturen beeinflusst. Kulturen gedeihen am besten, wenn sie sich mischen und gegenseitig befruchten. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Das Christentum basiert auf einer Vorstellungswelt

Noch nie war Europa mit dem Christentum identifiziert worden. Erst die Spätantike leitete diesen Wandel ein, bevor er sich im Mittelalter zu einem regelrechten Kampfbegriff entwickelte. Jürgen Wertheimer fügt hinzu: „Anderen ist er eine Chiffre für Hochmut und Ausgrenzung.“ Wie auch immer man dazu stehen mag, dieser Begriff verweist auf eine Vorstellungswelt. Diese hat vielleicht weniger mit dem historischen Mittelalter als mit einer Sehnsucht sehr viel späteren Zeiten nach Zusammengehörigkeit zu tun. So schwärmt der romantische Dichter Novalis 1799: „Es waren schöne, glänzenden Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte. Ein großes gemeinschaftliches Interesse verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reichs.“ Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Das Christentum lehnte die Gelehrsamkeit ab

In der Spätantike und im Frühmittelalter kam es zu einer Kritik wie auch zum Verlust weltlichen Wissens. Beter Burke stellt fest: „Maßgebliche christliche Autoren lehrten Gelehrsamkeit rundweg ab.“ Einer von ihnen war Tertullian (ca. 155 – ca. 240), der behauptete, seit Jesus Christus bedürfen wir des Forschens nicht mehr. Ein weiterer war Augustinus, der die „eitle Wissbegier“ kritisierte. Das Frühmittelalter gilt jedoch heute nicht mehr als die Zeit der „Dunklen Jahrhunderte“. Doch der Verlust von Wissen in den Jahren 500 bis 1000 lässt sich kaum leugnen. Der Niedergang der Städte ging mit dem Verlust der Fähigkeit des Lesens und Schreibens einher. Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Menschen wollen sich das Leben leichter machen

Der Einfallsreichtum des Menschen zeigt sich in Kunstwerken, Musik und Geschichten. Er lässt sich aber auch an Dingen ablesen, mit denen er sich umgibt. Heute ist es für viele Menschen selbstverständlich, bereits in der eigenen Wohnung Zugriff auf Tausende verschiedener Gegenstände zu haben. Stefan Klein fügt hinzu: „Die meisten dieser Objekte beachten wir kaum. Wir lagern sie in irgendeinem Winkel und erinnern uns nur unter besonderen Umständen an sie.“ Selbst ein Werkzeugkasten ist ein Monument der schöpferischen Intelligenz. Auf solche Zeugnisse der Kreativität stößt man, wohin man in der heutigen Welt nur schaut. Es scheint, als sei dem Menschen ein Drang angeboren, sich mit Einfällen das Leben leichter und interessanter zu machen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Pisa verlor 1406 seine Unabhängigkeit

Dom, Turm, Bapisterium und Friedhof bildeten das sakrale Zentrum der Kommune Pisa. Nach dem Verlust der Unabhängigkeit im 15. Jahrhundert wurde das grandiose Ensemble zum Ort der wehmütigen oder auch widerständigen Erinnerung an verlorene Größe. Um 1300 war die stolze Stadt Pisa von Florenz wirtschaftlich und politisch überflügelt worden. Im Jahr 1406 musste sie sich der verhassten Rivalin sogar unterwerfen und verlor ihre Unabhängigkeit. Volker Reinhardt fügt hinzu: „Die Selbstständigkeit gewann Pisa zwar 1494 zurück. Es musste sich aber 1509 nach langer Belagerung ausgehungert und finanziell erschöpft, erneut unterwerfen. Und zwar diesmal endgültig.“ Von nun an blieb für den Lokalstolz nur noch die Universität. Volker Reinhardt it Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Ein breites Wissen ist die Voraussetzung für Erfolg

Anders als in Griechenland findet Peter Burke in Rom nicht nur Liebeshymnen auf herausragende intellektuelle „Vielseitigkeitskämpfer“. Sondern es gibt dort auch Empfehlungen für Studenten bestimmter Disziplinen, sich ein möglichst breites Wissen anzueignen. Vielleicht als Gegenmittel gegen die schleichende Spezialisierung. Cicero (106 – 43 v. Chr.) war einer der eloquentesten öffentlichen Redner der römischen Welt. Er betont gleich zu Beginn seiner Abhandlung über den Redner die Notwendigkeit eines breiten Wissens als Voraussetzung für Erfolg in der Rhetorik. Peter Burke erklärt: „Ein exemplarischer Universalgelehrter war der Grieche Alexander von Milet (ca. 100 – ca. 40 v.Chr.) Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Steinwerkzeuge gibt es seit drei Millionen Jahren

Die Vorläufer des Homo sapiens stellten vor mehr als drei Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge her. Schon damals war die schöpferische Intelligenz schon lange nichts Neues mehr. Ein Werkzeug herzustellen, das man später für einen bestimmten Zweck einsetzt, erfordert Einsicht, Planung und Vorstellungskraft. Stefan Klein erklärt: „Erst nach vielen Arbeitsgängen ist aus einem rohen Stein eine Klinge geformt. Jeder einzelne Schritt verlangt eine präzise Idee von dem, was noch nicht ist, aber sein soll.“ Nur Menschenaffen und einige Vögel bringen die zur Werkzeugherstellung nötigen geistigen Voraussetzungen mit. Aber nur die Menschen haben es so weit gebracht, Gene zu entschlüsseln, Symphonien zu komponieren und ihre Zeit in Videokonferenzen zu verbringen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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In der Republik Venedig herrscht die Freiheit

Der Dogenpalast in Venedig ist ein politisches Manifest in Stein, das sich an die eigenen Bürger und an die ganze Welt wendet. Die Botschaft für die Venezianer lautet: Ihr lebt in der besten aller politischen Welten! Für alle anderen blieben nur Neid und Nachahmung übrig. Jedes Bauelement des Palastes hat für Volker Reinhardt seine eigene Aussage. Das stärkste Bollwerk aber ist die Freiheit, die in der Republik herrscht. Der Regierungssitz des Staatsoberhaupts braucht daher keine Mauern gegen außen und erst recht keine Schutzwälle nach innen. Denn hier herrschen Offenheit und Transparenz. Die untere Hälfte der Südfassade besteht aus zwei Loggien, die sich harmonisch übereinander schichten. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Manchmal muss man das Weltbild radikal verändern

Carlo Rovelli vertritt die These, dass ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Methodologie ihren Ursprung in der Schule von Milet, vor allem im Denken Anaximanders hat. Gestützt wird seine Vermutung durch den milesischen Naturalismus, dem erstmaligen Gebrauch von theoretischen Begriffen oder der Vorstellung von Naturgesetzen. Dass die Naturgesetze die Notwendigkeit der Abfolge von Ereignissen bestimmen, geht auf die Schule von Milet zurück. Vor allem vermittelte Milet der Welt diese einzigartige Kombination aus Respekt und Kritik im selben intellektuellen Gebiet. Dort entstand auch die allgemeine Idee, dass die Welt nicht so sein muss, wie sie den Menschen erscheint. Um wie Welt besser zu verstehen, kann es notwendig sein, das existierende Weltbild radikal zu verändern. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Deutschland führte wieder Krieg

Nach der Epochenwende von 1989 ist leider kein „goldenes Zeitalter“ des Friedens angebrochen. Edgar Wolfrum stellt fest: „Aus der tiefsten Ächtung ist der Krieg vielmehr wieder zu neuer Bedeutung gelangt, auch in Europa.“ Im zerfallenen Jugoslawien brachen seit 1991 blutige Konflikt aus. In Randgebieten der ehemaligen Sowjetunion fanden ebenfalls Kämpfe statt. In nie dagewesener Form wurden in verschiedenen Staaten terroristische Anschläge verübt. Die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center 2001 waren für viele Beobachter der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Es folgten die Kriege in Afghanistan und dem Irak, dann kamen kriegerische Auseinandersetzungen in Nordafrika, schließlich der Syrienkrieg. In diesem Zeitalter der „neuen Kriege“ wandelte sich die außenpolitische Stellung und militärische Rolle Deutschlands fundamental. Deutschland wurde wieder zu einer Krieg führenden Nation. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Der Erste Weltkrieg stoppte eine frühe Globalisierung

Es gibt keine florierende Wirtschaft ohne starke Institutionen. Und es gibt keine wachsende Globalisierung ohne eine maßvolle internationale Politik, die sie zu schützen bereit ist. Diese bittere Lektion hat die Welt am eigenen Leib gelernt. Der Glaube, dass Wissen, Technologie und Profite unaufhaltsamen Fortschritt garantierten, beflügelte die politischen Eliten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Er platzte mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Nadav Eyal ergänzt: „Diese frühe Globalisierung zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und dem Ersten Weltkrieg wird als „Belle Époque“, „schöne Epoche“ bezeichnet.“ Es war eine beeindruckende Blütezeit. Die Welt erlebte eine der größten Migrationswellen zu Friedenszeiten, vor allem Richtung Nordamerika. Italiener, Iren, Juden, Holländer, Deutsche, Tschechen, Engländer, Schotten, Polen verließen den alten Kontinent auf der Suche nach einer neuen Zukunft. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

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Homer umgab eine Aura von Göttlichkeit

Das Schicksal Trojas hörte nie auf, die Griechen zu beschäftigen. Sogar Xerxes hatte bei seiner Ankunft am Hellespont verlangt, dass man ihm den Ort zeige. In der „Ilias“ war die Erinnerung an jene aufgehoben war, die im Staub der Ebene vor Troja gekämpft hatten. Zudem gab sie den Griechen auch ihr wichtiges Fenster auf das Wirken der Götter und ihr Verhältnis zu den Sterblichen. Tom Holland fügt hinzu: „Der Verfasser der „Ilias“, ein Mann, dessen Geburtsort und dessen Lebensdaten Gegenstand endloser Diskussionen waren, was selbst eine Gestalt mit einer gewissen Aura von Göttlichkeit.“ Einige gingen so weit zu sagen, Homers Vater sei ein Fluss und seine Mutter eine Meeresnymphe gewesen. Der Autor und Journalist Tom Holland studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft.

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Die Folgekosten des „Aufbau Ost“ wurden unterschätzt

Die Neubildung der deutschen Nation – und darum ging es ja bei und nach der Wiedervereinigung von 1990 – schien gelungen. Deutschland war ein postklassischer Nationalstaat, als Großmacht gezähmt, da in vielfältige supranationale Strukturen und Gebilde eingebunden. Die Deutschen hatten aus ihrer Geschichte gelernt und begriffen, dass sie nach zwei Weltkriegen und ungeheuerlichen Verbrechen eine unverhoffte zweite Chance erhielten, wie sie im Leben nur selten vorkommt. Edgar Wolfrum erinnert sich: „Der äußeren Einheit würde rasch die innere Einheit folgen. „Blühende Landschaften“ wurde versprochen. Das war die erste Täuschung.“ Die Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft verlief nicht reibungslos. Zwischen West und Ost tat sich ein großer Graben auf, die Folgekosten des „Aufbau Ost“ wurden massiv unterschätzt. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Griechenlands Demokratie war keine Wohlfühloase

Die griechische Demokratie war alles andere als eine Wohlfühloase. Jürgen Wertheime weiß: „Sehr viel eher war sie ein permanentes psychisches und physisches Testlabor und eine Art mentales Trainingslager. Was auf dem Theater durchgespielt wurde, konnte im Alltag auch und gerade bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den Tod bedeuten.“ Die großen Philosophen wie Sokrates, Platon, aber auch die Vorsokratiker wie Empedokles standen unter Generalverdacht. Und oft bedurfte es nur einer speziellen politischen Konstellation, um sie zu Fall zu bringen. Für Platon zum Beispiel waren die Herrschaftsmethoden der 30 Oligarchen ein tiefer Schock. Diese hatten 404 v. Chr. nach der Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg die Macht an sich gerissen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Christopher Clark kennt die Geschichte der Mächte

Die Geschichte der Mächte konnte sich unter der Rubrik Disruption und Wandel entfalten.“ „Zerbrechlichkeit und Instabilität sind untrennbar mit den Werken der Menschen verbunden“. Das schrieb Friedrich II. von Preußen im Jahr 1751. Und das sei auch gut so, glaubte der König. Denn wenn es keine großen Unruhen gebe, gebe es „auch keine großen Ereignisse.“ Der von Aufstieg und Niedergang, den die großen Mächte der Weltgeschichte beschrieben, erinnerte den König an die regelmäßigen Bewegungen der Planeten. Christopher Clark fügt hinzu: „Die Untersuchung der Laufbahn großer Staaten handelte somit von der Veränderlichkeit und Unbeständigkeit von Macht. Die Hegemonie jedes einzelnen Staates war stets befristet.“ Die mächtigen Reiche des Altertums im Nahen Osten, in Griechenland und Rom sind inzwischen nur noch Ruinen. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.

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