Bertrand Russell stellt die moderne Ungewissheit an den Pranger

Bertrand Russell vertritt die These, dass es in der Weltgeschichte vier Arten von Zeitaltern gegeben hat. Epochen, in denen alle dachten, sie wüssten alles, Zeitalter, in denen niemand dachte, er wüsste etwas, Zeiten in denen kluge Leute dachten, sie wüssten viel, und dumme Leute, sie wüssten wenig, und Zeitalter, in denen dumme Leute dachten, sie wüssten viel, und kluge, sie wüssten wenig. Bertrand Russel fügt hinzu: „Die erste Art von Zeitalter zeichnet sich durch Stabilität aus, die zweite durch langsamen Verfall, die dritte durch Fortschritt, die vierte durch Katastrophen.“ Alle primitiven Epochen sind von der ersten Sorte, da niemand an der Stammesreligion, an der Weisheit alter Bräuche oder am Nutzen des Erntezaubers zweifelt. Deshalb sind alle glücklich, solange es keinen fassbaren Grund, als Beispiel nennt Bertrand Russell eine Hungersnot, zum Unglücklichsein gibt.

Im 18. und frühen 19. Jahrhundert waren Wissenschaft und Technik noch ein Novum

Als Beispiel für die zweite Art nennt Bertrand Russell die antike Welt vor dem Aufstieg des Christentums, aber schon im Zeichen des Niedergangs. Im Römischen Reich hatten die Stammesreligionen ihre Exklusivität und Kraft eingebüsst. Bertrand Russell erklärt: „Im selben Maß, wie die Menschen zu denken begannen, an anderen Religionen könnte etwas Wahres sein, begannen sie auch zu denken, an ihrer eigenen könnte etwas falsch sein.“ Im 18. und frühen 19. Jahrhundert geschah genau das Gegenteil.

Damals waren die Wissenschaft und Technik ein Novum. Ihre Erfolge waren offenkundig und einzigartig. In England ernteten zum Beispiel Landwirte, die wissenschaftliche Methoden anwendeten, deutlich mehr als jene Bauern, die an den alten Verfahren festhielten. In den Manufakturen setzten sich die Arbeitsteilung und der Einsatz von Maschinen durch. So verbreitete sich laut Bertrand Russell ein Glaube an Intelligenz durch Bildung, worauf ein Ära des rasanten Fortschritts folgte.

Narren stürzen die Welt immer tiefer ins Unglück

Die Zeit, in der Bertrand Russell lebte, was scheinbar genau das Gegenteil der Fall. Wissenschaftler bezweifelten, dass die Wissenschaft überhaupt irgendetwas weiß. Ökonomen stellten fest, die gängigen Methoden der Weltwirtschaft würden alle arm machen. Politiker fanden keine Lösungen, um internationale Kooperationen zu sichern oder Kriege zu verhindern. Philosophen hatten der Menschheit keine Leitlinien mehr anzubieten. Positive Meinungen erlaubten sich nur noch diejenigen, die es vor Dummheit nicht bemerkten, wie absurd ihre Vorstellungen sind.

Mithin wurde die Welt von Narren beherrscht, und die Intelligenten galten nichts in den nationalen Führungsgremien. Bertrand Russell war überzeugt davon, dass die Welt immer tiefer ins Unglück stürzen würde, wenn dieser Zustand länger andauert. Seiner Meinung nach müssen die Intelligenten ihre Sucht am Zweifel ablegen und eine Mitverantwortung für die Übel übernehmen, die alle beklagen. Außerdem ist nichts von Nutzen, solange die Intelligenz nicht lernt, eine Sprache zu sprechen, die der Demokratie verständlich ist.

Kurzbiographie: Bertrand Russell

Bertrand Russell wurde am 18. März 1872 in Trelleck geboren. Er studierte am Trinity College Mathematik und Sozialwissenschaften. Während des Ersten Weltkriegs kam er wegen der Aufforderung zur Verweigerung des Kriegsdiensts ins Gefängnis. Bertrand Russell lehrte an den Universitäten Harvard, Oxford, London, Peking, Chicago und Los Angeles.

Im Jahr 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Der große Denker beschäftigte sich unter anderem mit der Möglichkeit des Philosophierens in einem Zeitalter, das die Metaphysik verabschiedet hat und dessen Wissensstand entscheidend von der Naturforschung geprägt ist.

Zu seinen wichtigsten Werken zählen: „The Principles of Mathematics“ (1903), „The Problems of Philosophy“ (1912), „Mysticism and Logic“ (1917), „An Outline of Philosophy” (1927) und „An Inquiry into Meaning and Truth“ (1940). Bertrand Russell starb am 2. Februar 1970 in Wales.

Von Hans Klumbies