Bertrand Russell sucht die unumstößliche Erkenntnis

Eine der schwierigsten Fragen, die es in der Philosophie gibt, ist für Bertrand Russell folgende: Gibt es auf dieser Welt eine Erkenntnis, die so unumstößlich gewiss ist, dass kein vernünftiger Mensch daran zweifeln kann? Denn in der Philosophie spielt ein Unterschied eine große Rolle, nämlich der Unterschied zwischen Erscheinung und Wirklichkeit, zwischen dem, was die Dinge zu sein scheinen, und dem, was sie sind. Ein Maler beispielsweise will wissen, wie die Dinge, die er darstellt, erscheinen; der Praktiker und der Philosoph wollen wissen, was sie sind. Dabei ist der Erkenntnisdrang des Philosophen in der Regel stärker als der des Praktikers.

Der Unterschied zwischen Empfindung und Sinnesdaten

Bertrand Russel ist davon überzeugt, dass die wirkliche Gestalt nicht das ist, was der Mensch sieht, sondern etwas, das von ihm aus dem Gesehenen erschlossen worden ist. Und was der Mensch sieht, verändert dauernd seine Gestalt, während er sich durch den Raum bewegt, so dass ihm seine Sinne offenbar nicht die Wahrheit über einen Gegenstand selbst, sondern nur über seine Erscheinung sagen. Bertrand Russell bezeichnet als Sinnesdaten die Dinge, die dem Menschen unmittelbar in der Wahrnehmung gegeben sind: zum Beispiel Farben, Geräusche, Gerüche und so fort.

Als Empfindung bezeichnet er das Erlebnis, das der Mensch hat, wenn er Dinge unmittelbar wahrnimmt. So hat man immer, wenn man beispielsweise eine Farbe sieht, eine Empfindung dieser bestimmten Farbe, aber die Farbe selbst ist ein Sinnesdatum und keine Empfindung. Die Farbe ist das was man unmittelbar wahrnimmt, und das unmittelbare Wahrnehmen ist die Empfindung.

Die Philosophen sollen das Interesse der Menschen an der Welt vergrößern

Einen wirklichen Gegenstand – wenn es ihn denn gibt – nennt Bertrand Russell einen materiellen Gegenstand. Die Gesamtheit aller materiellen Gegenstände ist die Materie. Normalerweise meint man mit Materie etwas, das dem Bewusstsein entgegengesetzt ist, das im Raum ist, nicht denken kann und kein Bewusstsein hat. Laut Bertrand Russell hat sich herausgestellt, dass wenn der Mensch einen Gegenstand nimmt, den er normalerweise durch Sinneswahrnehmung zu kennen glaubt, die Sinne ihn nicht unmittelbar die Wahrheit über den Gegenstand erkennen lassen.

Der Mensch erfährt nur die Wahrheit über bestimmte Sinnesdaten, die von den Beziehungen zwischen ihm und dem Gegenstand abhängig sind. Was der Mensch unmittelbar sieht und fühlt, sind daher bloße Erscheinungen. Man glaubt, dass diese Erscheinungen als Zeichen auf eine hinter ihr liegende Wirklichkeit verweist. Die Philosophie kann laut Bertrand Russell nicht so viele Fragen beantworten, wie die Philosophen gerne möchten. Aber sie kann wenigstens Fragen stellen, die das Interesse der Menschen an der Welt vergrößern und allen zeigen, wie dicht unter der Oberfläche der alltäglichen Dinge alles seltsam und erstaunlich wird.

Kurzbiografie: Bertrand Russell

Bertrand Russell wurde am 18. März 1872 in Trelleck geboren. Er studierte am Trinity College Mathematik und Sozialwissenschaften. Während des Ersten Weltkriegs kam er wegen der Aufforderung zur Verweigerung des Kriegsdiensts ins Gefängnis. Bertrand Russell lehrte an den Universitäten Harvard, Oxford, London, Peking, Chicago und Los Angeles. 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Der große Denker beschäftigte sich unter anderem mit der Möglichkeit des Philosophierens in einem Zeitalter, das die Metaphysik verabschiedet hat und dessen Wissensstand entscheidend von der Naturforschung geprägt ist. Zu seinen wichtigsten Werken zählen: „The Principles of Mathematics“ (1903), „The Problems of Philosophy“ (1912), „Mysticism and Logic“ (1917), „An Outline of Philosophy” (1927) und „An Inquiry into Meaning and Truth“ (1940). Bertrand Russell starb am 2. Februar 1970 in Wales.

Von Hans Klumbies