In der Geschichte blitzt das Glück nur ganz kurz auf

Benedetto Croce hat in seinen Werken immer wieder Stellung bezogen sowohl gegen voluntaristische als auch deterministische Konzepte des Fortschritts. Vor allem kritisierte er die Varianten der letzen Spielart einer teleologischen Geschichtstheorie. Im Anbetracht beider Möglichkeiten befürchtete er eine Verdinglichung und Erstarrung des geistigen Fortschritts, wobei er klar erkannte, dass der Voluntarismus oft getarnt als wissenschaftlicher Determinismus auftritt. Von einer utopischen Fortschrittseuphorie, die in Kürze ein widerspruchsfreies Reich der Freiheit propagiert, fühlt er sich abgestoßen. Denn er weiß, dass in allen solchen Fällen die Enttäuschung so groß gewesen ist, das man schnell die Kraft der Illusionen zu Hilfe rufen musste.

Das richtige Bewusstsein für den Fortschritt

Benedetto Croce forderte das Bewusstsein eines Fortschritts nicht zu verlieren, der weder das von den Menschen Vollbrachte zunichte macht, noch auch ein Hasten hinter dem Unerreichbaren ist. Der eigentliche Feind des Historismus ist seiner Meinung nach der Amoralismus, der sich unter verlogenen historischen Formen als Geschichtsdeterminismus aus den verdorbenen Teilen der großen deutschen Philosophie entwickelt hat.

Benedetto Croce schreibt: „Und ebenfalls unter historischer Maske tritt seine Spießgesellin, die moralische Feigheit auf, die sich gerne als Anerkennung der historischen Notwendigkeit und Fügung in sie ausgibt, das heißt als Fügung in den Fatalismus und als die Trägheit, diese Verneinung der Geschichte, die ein Wirken ist und der Geschichtsschreibung, die ein Quell des Wirkens ist.“

Benedetto Croce erkärt die Freiheit zum erklärenden Prinzip der Geschichte

Obwohl Benedetto Croce derartige Forschrittskonzepte strikt ablehnt, ist er der Meinung, dass die Geschichte dennoch unter dem Gesichtspunkt eines Fortschritts des moralischen Bewusstseins betrachtet werden kann. Er schließ sich einer bestimmten Auslegung von Georg Wilhelm Friedrich Hegels Überzeugung an, wonach die Geschichte ein Fortschritt der Freiheit ist. Freiheit ist für Benedetto Croce das erklärende Prinzip des geschichtlichen Ablaufs, andererseits das moralische Prinzip der Menschheit.

Dennoch betrachtet Benedetto Croce die Geschichte, von kurzen Pausen abgesehen, in der die Freiheit ein ungeregeltes und schlecht gesichertes Dasein führen muss. Das mehr erahnte als besessene Glück blitzt nur kurz auf. Evident dagegen ist eine stürmische Folge von Unterdrückung, barbarischen Invasionen, Raubzügen, weltlichen und geistigen Tyranneien, von Kriegen, Verfolgungen, Vertreibungen und Richtstätten.

Kurzbiographie: Benedetto Croce

Benedetto Croce wurde am 25. Februar 1866 in Pescasseroli in den Abruzzen geboren und verbrachte seine Jugend in Neapel. Bei seinen Studien in Rom beschäftigte er sich mit den Lehren von Johann Friedrich Herbart und Karl Marx. Ab 1886 studiert er als Privatgelehrter geschichtsphilosophische, ästhetische, historische und nationalökonomische Werke. 1903 gründet er die Zeitschrift „La Critica“, die er bis 1944 herausgab.

1910 wurde Benedetto Croce Mitglied des italienischen Senats. In den Jahren 1920/21 war er Kulturminister in Italien. 1943 gründete Benedetto Croce die neue Liberale Partei Italiens, deren Vorsitzender er bis 1947 war. Ein Jahr später zog er sich aus dem politischen Leben zurück und widmete sich ganz dem in seinem eigenen Haus in Neapel untergebrachten und von ihm 1947 gegründeten Instituto Italiano di Studi Storici. Benedetto Croce starb am 20. November 1952 in Neapel.

Von Hans Klumbies