Beatrice Weder di Mauro erörtert die Chancen des Wachstums

Die Weltwirtschaft hat in den vergangenen zwanzig Jahren einen sehr schellen Wandel durchlebt. Das weltweite Wirtschaftswachstum beschleunigte sich deutlich und hatte zunehmend auch eine neue Qualität. Laut Beatrice Weder di Mauro traten ärmere Länder nicht nur verstärkt als Teilhaber, sondern sogar als Treiber der wirtschaftlichen Expansion auf. Eine Gruppe von Schwellenländern konnte in dieser Zeit gegenüber den Industriestaaten deutlich aufholen und selbst als hoffnungslos geltende Länder haben in kurzer Zeit dynamische Wirtschaftsentwicklungen durchlaufen. Beatrice Weder die Mauro schreibt: „Vieles an dieser Veränderung ist ohne Zweifel positiv. So brachte das Wachstum für Millionen von Menschen die Chance, sich aus der Armut zu befreien und ihren Kindern den Zugang zu Bildung und Gesundheitsleistungen zu ermöglichen.“ Die schweizerisch-italienische Wirtschaftswissenschaftlerin gehört dem Verwaltungsrat der Großbank UBS an. Zwischen 2004 und 2012 war sie Mitglied im sogenannten Rat der Wirtschaftsweisen.

Bei 1,5 Prozent Wachstum verdoppelt sich das Einkommen in 47 Jahren

Beatrice Weder di Mauro gibt aber auch zu, dass die Veränderungen auch mit Skepsis betrachtet werden. Immer wieder stellen Ökonomen die Frage, warum gerade die ärmsten Länder vielfach am wenigsten vom weltweiten Wachstum profitieren konnten. Selbst in den Industriestaaten wird die Globalisierung, mit der eine höhere Konkurrenz einhergeht, zunehmend als Bedrohung empfunden. Zudem muss man laut Beatrice Weder di Mauro angesichts der ständig zunehmenden Weltbevölkerung, die immer stärker die natürliche Umwelt bedroht, die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Entwicklung stellen.

Beatrice Weder di Mauro geht auch auf grundsätzliche Fragen in der ethischen Dimension ein, wie zum Beispiel der Frage nach der Wünschbarkeit von Wachstum und danach, ob ein höheres Einkommen die Menschen auch in die Lage versetzt, glücklicher zu leben. Die Ökonomin beantwortet auch die Frage, wie schnell sich das durchschnittliche Einkommen eines Landes verdoppelt, wenn es konstant mit einer Rate von X Prozent wächst. Wächst ein Land zum Beispiel mit 1,5 Prozent, dauert es etwa 47 Jahre bis sich das durchschnittliche Einkommen verdoppelt hat.

In der Geschichte der Wirtschaft war hohes Wachstum nicht der Normalfall

Wächst ein Land dagegen mit neun Prozent im Jahr, wie zum Beispiel China, wird sich das Einkommen schon nach acht Jahren verdoppelt haben. Beatrice Weder die Mauro schreibt: „In einem solchen Land kann jede Generation erwarten, dass sich ihr materieller Wohlstand über ihre Lebenszeit verzehnfacht.“ Sie hegt keinen Zweifel daran, dass Gesellschaften mit derart positiven Perspektiven auch eine ganz andere Dynamik entwickeln als solche, in denen die Verbesserungsaussichten deutlich geringer ausfallen.

Beatrice Weder di Mauro vertritt die These, dass schnell wachsende Gesellschaften mit höherer Zuversicht in die Zukunft blicken, Entwicklungschancen dabei in den Vordergrund und Verteilungsfragen dabei eher in den Hintergrund treten. Die Wirtschaftswissenschaftlerin schreibt: „Hier werden rascher Wandel und konstanter Fortschritt als völlig normal und gar unaufhaltsam angesehen.“ Wenn man allerdings die Wirtschaftsgeschichte insgesamt betrachtet, war hohes Wirtschaftswachstum keineswegs der Normalfall, sondern eher die Ausnahme.

Von Hans Klumbies