Deutschland kann auch vier Prozent Inflation gut vertragen

Der amerikanische Ökonom Barry Eichengreen glaubt nicht, dass der Weltwirtschaft eine so große Depression droht wie nach der letzten großen Finanzkrise in den 30er Jahren. Aber er sieht viele Zeichen, die darauf hindeuten, dass ein verlorenes Jahrzehnt droht, mit weltweit niedrigem Wirtschaftswachstum in Amerika, Europa und Japan. Sogar in China werden die hohen Wachstumsraten kaum noch zu erreichen sein. Barry Eichengreen rät den betroffenen Regierungen folgendes: „Wir brauchen eine Mischung aus Reformen verkrusteter Strukturen und einer Politik, die das Wirtschaftswachstum fördert.“ In Europa muss seiner Meinung nach die Europäische Zentralbank eingreifen, weil es dort nicht gelingt, die Regierungen in Ländern wie Italien zu Reformen zu ermutigen. Barry Eichengreen ist einer der renommiertesten Analytiker der Weltwirtschaft. Er lehrt Ökonomie und politische Wissenschaften an der University of California in Berkeley.

Es gibt weder in Europa noch in Amerika Anzeichen einer Inflation

Barry Eichengreen versteht nicht, warum die Menschen Angst vor Inflation haben, obwohl gerade keine Inflation herrscht und an den Märkten auch keine Inflationserwartung vorhanden ist. Der Ökonom sieht im Moment weder Anzeichen für Inflation in Europa noch in Amerika. Barry Eichengreen fügt hinzu: „Ich glaube aber auch nicht, dass die Welt zusammenbrechen würde, wenn es in Deutschland mal ein paar Jahre lang vier statt zwei Prozent Inflation gäbe.“

Zu den Zielen, die eine Notenbank verfolgen muss, zählt Barry Eichengreen wirtschaftliches Wachstum und Geldwertstabilität. Er glaubt, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) ähnlich wie die amerikanische Fed entwickeln wird. Er sagt: „Sie beginnt zu verstehen, dass die Stabilität des Euro ihr wichtigstes Ziel ist – aber nicht das einzige. Sie ist auch verantwortlich für die Stabilität des Finanzsystems.“ Und voraussichtlich wird sie im kommenden Jahr auch für die Regulierung der Banken zuständig sein.

Ein Auseinanderbrechen der Währungsunion wäre für Europa dramatisch

Für Barry Eichengreen ist es ein Problem für Europa, dass die wirtschaftlichen Bedingungen in den verschiedenen Ländern so unterschiedlich sind. Europa muss die Transfermechanismen, die in Amerika längst vorhanden sind, erst noch entwickeln. Barry Eichengreen vertritt zudem die These, dass es ökonomisch einfach, aber politisch schwierig ist, den Euro zu retten. Dennoch glaubt der Ökonom an die Rettung des Euro. Er nennt einen wichtigen Grund: „Vor allem, weil die Kosten für ein Auseinanderbrechen der Europäischen Währungsunion enorm hoch und dramatisch für Europa wären.“

Die Europäische Zentralbank ist aus der Sicht von Barry Eichengreen bei der Rettung des Euros auf dem richtigen Weg. Er hält es für vernünftig, die Käufe von Anleihen notleidender Länder an Bedingungen zu knüpfen. Barry Eichengreen erklärt: „Wenn die Staaten zuerst Hilfe beim Rettungsfonds beantragen müssen und erst dann Anleihen gekauft werden, stellt man sicher, dass die Anleihekäufe Reformen nicht ersetzen.“ Barry Eichengreen denkt aber auch, dass Europa Griechenland mehr Hilfen geben muss, damit das Land im Euro bleiben kann.“

Von Hans Klumbies