Das Verhältnis zwischen den USA und anderen Ländern wird sich rasant verändern

Auf die Frage, ob die Welt mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump gefährlicher wird, antwortet Anne Applebaum: „Die Welt war immer gefährlich. Aber jetzt wird sie auf andere Art unsicher. Die existierende Ordnung, wie wir sie seit dem Ende des Kalten Krieges gewohnt waren, wird sich radikal transformieren. Die Institutionen, die Frieden brachten und Freihandel ermöglichten, werden schwächer – die Nato, die EU, die Handelszone zwischen den USA, Mexiko und Kanada.“ Das Verhältnis zwischen den USA und anderen Staaten wird sich rasant verändern.“ Zwar möchte Anne Applebaum das Elend nicht vorhersagen, macht sich aber Sorgen um eine neuerliche Besetzung von Teilen Osteuropas. Auch um eine neue russische Kampagne, Einfluss auf Deutschland und andere Teile des Kontinents zu nehmen, um die Demokratien zu schwächen. Die Historikerin Anne Applebaum ist Russland-Expertin und hat für ihr Buch „Gulag“ den Pulitzerpreis bekommen.

Donald Trump hat viele Wähler aus der Arbeiterschicht für sich gewonnen

Anne Applebaum macht sich auch Sorgen darum, dass die USA einen Handelskrieg mit China anzetteln – vielleicht sogar einen militärischen Krieg. Auf Twitter hat sich Donald Trump wie kein anderer Politiker eine eigene Form von Öffentlichkeit geschaffen, während er traditionelle Medien ablehnt. Auf die Frage, ob das die Demokratie untergräbt, antwortet Anne Applebaum: „Trump hat es verstanden, sich in einer Welt zu bewegen, in der Menschen in getrennten Blasen leben und ihre Nachrichten gefiltert beziehen, etwa über Facebook. In diesen eigenen, voneinander getrennten Blasen nehmen Menschen unterschiedliche Realitäten war, Trump hat das genutzt.“

Donald Trump hat sich ganz auf seine Anhänger konzentriert. Selbst nach der Wahl hat er nie zum amerikanischen Volk gesprochen und versucht, eine einigende Sprache zu finden. Donald Trump hat viele Wähler aus der Arbeiterschicht für sich gewonnen. Aber es wäre laut Anne Applebaum ein Fehler zu glauben, man könne Donald Trump allein ökonomisch erklären. Denn den USA geht es relativ gut, die Wirtschaft hat sich seit 2008 erholt. Anne Applebaum glaubt, bei der Arbeiterschicht war er aus kulturellen Gründen attraktiv, nach dem Motto: „Ich bringe euch die Jobs zurück, die eure Väter hatten.“

Der alte Kampf zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten ist bedeutungslos geworden

Auf die Frage, ob die USA unter Donald Trump autoritärer werden, antwortet Anne Applebaum: „Anders als in vielen europäischen Ländern ist die Polizei in den USA dezentral organisiert. Sogar das FBI hat Regionalbüros. Die Verfassung zu ändern ist ein langwieriger, ermüdender Prozess. Ich halte es aber für möglich, dass er einzelne Kontrollinstanzen untergraben kann.“ Als Beispiele nennt die Historikerin die Presse, Ethik-Kontrollorgane sowie die Beamtenschaft. Anne Applebaum glaubt nicht, dass zwischen Donald Trump und Wladimir Putin eine neue Freundschaft entsteht.

Donald Trump, Wladimir Putin und der Aufstieg von Populisten hängen für Anne Applebaum eng zusammen. Man muss das ihrer Meinung nach als großes, übergreifendes Problem sehen. Der alte Kampf zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten ist bedeutungslos geworden, weil die Einflüsse der Kirche und der Gewerkschaften verblassen. Nationalisten und Populisten haben das früher begriffen. Jetzt muss der Rest der Parteienlandschaft verstehen, dass hier die Herausforderung liegt. Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies