Die Freiheit dominiert das Europa der Gegenwart

In seinem neuen Buch „Der Preis der Freiheit“ analysiert der Historiker Andreas Wirsching zeithistorische Gemeinsamkeiten in der Geschichte Europas seit 1989 und deutet die aktuellen Entwicklungen. Seit dem Mauerfall und dem Untergang des Ostblocks haben sich die Länder in Europa laut Andreas Wirsching in einem Tempo einander angeglichen wie nie zuvor in der Historie. Die aktuelle Eurokrise hat seiner Meinung nach auch etwas mit demokratischen Transformationen der Ostblockstaaten und mit der Einführung des Euros zu tun. Auch die Deregulierung der Finanzmärkte kommt Europa teuer zu stehen. Andreas Wirsching glaubt aber, dass die Krise der Gegenwart durch eine Politik des „mehr Europa“ gebändigt werden kann. Andreas Wirsching ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians Universität München und Direktor des Instituts für Zeitgeschichte.

Der historische Trend der Konvergenz prägt das aktuelle Europa

Bei der Deutung der Historie Europas seit 1989 kommt Andras Wirsching zu einem fundamentalen Befund. Er schreibt: „Denn das Schlüsselwort für die europäische Geschichte unserer Zeit lautet Freiheit. Tatsächlich dürfte es nur wenige Epochen der neueren Geschichte geben, in denen binnen zweier Jahrzehnte ein solch gewaltiger Zuwachs an Freiheit zu verzeichnen war, wie nach 1989. Keineswegs betraf dies nur die Befreiung Osteuropas vom Kommunismus, wenngleich allein dieser Prozess eine historische Zäsur markierte.“

Andreas Wirsching handelt die Schlüsselthemen seines Buchs „Der Preis der Freiheit“ konsequent auf einer europäischen Betrachtungsebene ab, was auf die Kernthese seines Werks hinweist, die wie folgt lautet: die Gegenwartsgeschichte Europas folgt einem mächtigen historischen Trend zur Konvergenz. Der Autor erklärt: „Mit Konvergenz sind freilich nicht nur Angleichung und Ähnlichkeiten gemeint, sondern im Sinne Hartmut Kaelbles auch „wachsende Verflechtungen, intensivere wechselseitige Erfahrungen und erfahrungsgesättigte wechselseitige Bilder“.“

Auf Krisen in Europa folgen immer Schritte der Integration

Im letzten Kapitel weist Andreas Wirsching darauf hin, dass jede Analyse der europäischen Geschichte die historische Gleichzeitigkeit und das wechselseitig Aufeinanderbezogensein zwischen Vorstellungen, die in die Zukunft gerichtet sind und die Krisen Europas berücksichtigen muss. Andreas Wirsching ergänzt: „Beides gehört untrennbar zusammen, und die vorstehenden Kapitel haben gezeigt, dass nahezu jede Krise mit einem weiteren, wenngleich stets mühsamen Integrationsschritt beantwortet wurde.“

Dieses „mehr Europa“, mit dem die aktuelle Eurokrise gebändigt werden könnte, bedeutet für Andreas Wirsching, einen Weg zur weiteren Föderalisierung beziehungsweise Supranationalisierung in Europa einzuschlagen. Die Werkzeuge dafür liegen seiner Meinung nach bereit. Thomas Wirsching nennt sie: „Sie lauten Einführung gemeinsamer Staatspapiere (Eurobonds), stärke Absprache oder sogar Vergemeinschaftung der Steuer- und Wirtschaftspolitiken bis hin zu ihrer partiellen Abgabe an die Brüsseler Kommission.“ Wenn die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 9. Dezember 2011 nachhaltig in die Tat umgesetzt werden, könnte sich Europa zu einer Fiskalunion mit eingebauter Schuldenbremse entwickeln.

Der Preis der Freiheit
Geschichte Europas in unserer Zeit
Andreas Wirsching
Verlag: C. H. Beck
Gebundene Ausgabe: 487 Seiten, Auflage: 2012
ISBN: 978-3-406-63252-5,  26,95 Euro
Von Hans Klumbies