Amartya Sen untersucht die Rolle von Institutionen

Jede Theorie der Gerechtigkeit muss laut Amartya Sen der Rolle von Institutionen einen wichtigen Platz einräumen. Damit ist die Wahl bestimmter Institutionen zwangsläufig ein zentraler Bestandteil jeder plausiblen Darstellung der Gerechtigkeit. Allerdings muss man sich dabei um Institutionen bemühen, die Gerechtigkeit fördern und dabei vermeiden Institutionen schon für sich genommen als Erscheinungsformen von Gerechtigkeit anzusehen. Denn das würde die falsche Überzeugung widerspiegeln, dass ausschließlich Institutionen das Fundament der Gerechtigkeit sind. Man muss immer prüfen, welche sozialen Verwirklichungen und Verbesserungen auf institutionellen Fundamenten tatsächlich zustande kommen. Amartya Sen schreibt: „Natürlich können die Institutionen selbst mit gutem Grund als Teil der Verwirklichung zählen, die man durch sie erreicht. Aber sie können kaum die Gesamtheit dessen sein, was wir im Blick haben müssen, denn es geht auch um das Leben von Menschen.“ Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

Eine Institution kann nicht allein für Gerechtigkeit sorgen

Amartya Sen weiß, dass das Verfahren, verwirklichte Gerechtigkeit mit der institutionellen Struktur, die als die richtige gilt, gleichzusetzen, in ökonomischen und sozialen Analysen eine lange Tradition hat. Er glaubt allerdings stichhaltige Gründe dafür zu haben, dass es für keine dieser großartigen Institutionsanalysen typisch ist, die Hoffnungen ihrer visionären Befürworter einzulösen. Denn das Gelingen ihrer geplanten sozialen Verwirklichungen hängt weitgehend von wechselnden sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Bedingungen ab.

Die Überzeugung, dass ausschließlich Institutionen das Fundament für Gerechtigkeit sind, könnte laut Amartya Sen zu einer groben Missachtung der Komplexität von Gesellschaften führen. Zudem könnte die Selbstzufriedenheit, die ziemlich häufig mit vermeintlich souveräner Klugheit bezüglich der Institutionen einhergeht, sogar eine kritische Überprüfung der tatsächlichen Konsequenzen blockieren. Diese ergeben sich aus der Verfügbarkeit der empfohlenen Institutionen.

Die Aufgabe der Gerechtigkeit darf nicht an Institutionen delegiert werden

Amartya Sen schreibt: „Der ausschließlich auf Institutionen gerichtete Blick erfasst zumindest formal keine Geschichte der Gerechtigkeit über die Einrichtung der „gerechten Institutionen“ hinaus. Trotzdem, ganz gleich, mit welchem Gut man die gewählten Institutionen in Verbindung bringt, ist es schwer vorstellbar, dass sie für sich genommen grundsätzlich gut sind. Und nicht nur potentiell wirksame Mittel zum Erzielen akzeptabler oder hervorragender sozialer Leistungen.“

Wer die Institutionen mit einer umfassenden Perspektive betrachtet, kann laut Amartya Sen niemals die Aufgabe der Gerechtigkeit einfach an eine soziale Institution und soziale Regeln delegieren. Es genügt nicht, es dabei zu belassen und so von allen ferneren sozialen Einschätzungen entlastet zu sein. Für Amartya Senn gehört es unumgänglich zum Streben nach Gerechtigkeit, zu fragen, welchen Lauf die Dinge nehmen und ob man sie verbessern kann. Quelle: „Die Idee der Gerechtigkeit“ von Amartya Sen

Von Hans Klumbies