Fremde werden zum Sündenbock der Globalisierung gemacht

Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem System prägt viele Wähler der AfD. In der Regel haben sie gar keine negativen Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Die AfD schnitt bei Landtagswahlen besonders erfolgreich in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ab, wo es besonders wenige Fremde und Flüchtlinge gibt. Noch etwas gibt es hier besonders wenig: Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. Alexander Hagelüken erklärt: „Flüchtlinge lassen sich leichter zum Feindbild machen als abstrakte, anonyme Gewalten wie Globalisierung oder Technologie, die das Leben der Unzufriedenen viel stärker durchschütteln als die Migranten.“ Migranten haben ein Gesicht, sie sind optisch und kulturell von den Deutschen abgrenzbar. Der frühere Weltbank-Ökonom Branko Milanović doziert: „Der Frust über die eigene wirtschaftliche Situation kann einfach in nationalistische Gefühle umgemünzt werden.“ Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

Die AfD baut einen Anti-Globalisierungskurs aus

Dazu muss keiner selber mit Migranten Erfahrungen gemacht haben, analysiert der Mainzer Politologe Jürgen Falter: „Diese Wähler benötigen gar keine Konfrontation mit ihrem Feindbild. Sie müssen nur unterstellen, dass es zu einer Konfrontation kommen könnte.“ Ohne die AfD mit den Nazis zu vergleichen, sieht Jürgen Falter eine Parallele zu den 30er Jahren: „Die Nazis fanden gerade dort besonders viele Wähler, wo ihr Feindbild, die Juden, kaum vertreten waren.“ Robert Gold vom Kieler Institut für Weltwirtschaft untersuchte, wie Fremde zum Sündenbock für die Globalisierung werden.

Ergebnis: Ob eine Region durch die Globalisierung gewinnt oder verliert, wirkt sich auf die Wahlchancen einer bestimmten Sorte von Parteien aus: der fremdenfeindlichen. In Gewinner-Regionen hatten Republikaner, DVU und NPD keine Chance. In Verlierer-Gegenden hatten sie großen Erfolg. Die AfD ist zum Beispiel längst dabei, ihre Haltung gegen das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP zu einem Anti-Globalisierungskurs auszubauen. Die Wähler der AfD haben zu zwei Dritteln eine Lehre oder einen ähnlichen Bildungsabschluss absolviert.

Die SPD ist nicht mehr die Partei der kleinen Leute

Sie gehören jenen Schichten an, die in der neuen Wirtschaftswelt am ehesten von Stagnation oder Abstieg betroffen sind. Der Aufstieg der Rechtspartei AfD ist nicht das erste Phänomen, das sich zumindest zum Teil darauf zurückführen lässt, dass seit den 90er Jahren Einkommen stagnierten und die Ungleichheit zunahm. In den Nullerjahren spalteten sich die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) von der SPD ab. Seit ihrer Fusion mit der SED-Nachfolgepartei PDS ist sie als Linke zur gesamtdeutschen Kraft geworden.

Die WASG mit Oskar Lafontaine war eine direkte Reaktion auf die Reformpolitik der SPD, der einstigen Partei der kleinen Leute. Ausgerechnet der SPD-Finanzminister Hans Eichel kürzte den Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent. Und ausgerechnet der nächste SPD-Finanzminister Peer Steinbrück erlaubte Millionären zusätzlich, Kapitalerträge statt zum Spitzensteuersatz nur mit 25 Prozent zu versteuern. Dazu vergrößerten die Sozialreformen des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder durch Kürzungen wie Hartz IV den Abstand zwischen den Schichten. Quelle: „Das gespaltene Land“ von Alexander Hagelüken

Von Hans Klumbies