Alexander Emmerich untersucht den Begriff des Amerikaners

Die Metapher der Neuen Welt ist laut Alexander Emmerich eine Erfindung der Europäer. Auf dem neu entdeckten Kontinent konnte es weder Geschichte noch Kultur von Bedeutung geben. Davon waren die Menschen in der Alten Welt überzeugt. Doch in Amerika entstand dennoch eine neue, für viele Auswanderer extrem anziehende Gesellschaft mit einem eigenen politischen System und großer ökonomischer Dynamik. Der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller nannte den neu entdeckten Kontinent nach dem Vornamen des Seefahrers Amerigo Vespucci „Amerika“. Wenn man heute von Amerikanern spricht, gibt es ganz verschiedene Auffassungen darüber, um wen es sich dabei eigentlich handelt. Im deutschen Sprachraum werden mit dem Begriff in der Regel die Menschen benannt, die in den Vereinigten Staaten von Amerika leben. Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für atlantische Kulturgeschichte.

Schon vor 15.000 Jahren wanderten Völker aus Asien nach Nordamerika

Die Bewohner Süd- oder Mittelamerikas heißen in Deutschland Südamerikaner oder Lateinamerikaner. Es gibt jedoch auch eine andere Sichtweise auf diese Begriffe. Peruaner, Argentinier und Chilenen bezeichnen sich selbst als Amerikaner, während sie die US-Amerikaner als Nordamerikaner oder als Gringos bezeichnen. In den USA selbst bezeichnen sich fast alle Bewohner als Amerikaner. Aber das war nicht immer so. Alexander Emmerich erläutert: „Thomas Jefferson etwa, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten und Verfasser der Unabhängigkeitserklärung, behauptete stets, ein Virginier aus dem Staat Virgina zu sein und kein Amerikaner.“

Thomas Jefferson betrachtete die Vereinigten Staaten nicht als Nationalstaat, sondern eher als ein loses Bündnis starker Einzelstaaten. Ebenso verschiedener Ansicht kann man darüber sein, wann die amerikanische Geschichte eigentlich begonnen hat. Beginnt sie durch die Besiedlung durch die Europäer oder 500 Jahre vor Christoph Kolumbus, als die Wikinger in Island und Grönland Kolonien hatten oder sogar schon vor 11.000 bis 15.000 Jahren als verschiedene Völker von Asien aus über die Beringstraße wanderten und sich auf dem nordamerikanischen Kontinent eine neue Heimat fanden.

Heute werden alle Bewohner Nordamerikas als Amerikaner bezeichnet

Im Laufe des letzten halben Jahrtausends siedelten sich in Nordamerika überwiegend Europäer und Asiaten an, außerdem viele dorthin mit Gewalt verschleppte und versklavte Afrikaner. Alexander Emmerich erklärt: „Heute werden alle Bewohner des Kontinents als Amerikaner bezeichnet, obwohl es sich um verschiedene Kulturen und Gesellschaften handelt. Um sie voneinander zu unterscheiden sprechen wir von Native Americans, African Americans, Chinese Americans, Mexican Americans, German Americans und so weiter.“

Die Vereinigten Staaten von Amerika waren laut Alexander Emmerich einerseits eine Schöpfung Europas, ihrer Ideen und Menschen, andererseits lagen sie weit genug von der Alten Welt entfernt, um eine eigenständige amerikanische Identität zu entwickeln. Die geographische Entfernung begünstigte die politische Linie der USA, die bereits ihr erster Präsident George Washington klar ausdrückte. Die Amerikaner sollten sich vor allem darauf konzentrieren die eigene Position zu festigen und sich aus dem europäischen Mächtespiel heraushalten.  

Von Hans Klumbies